Etwas mehr Selbstkritik würde dem DFB-Trainer nicht schaden

Die Olympischen Spiele in Englands Hauptstadt London waren nicht mal einen ganzen Tag vorbei, da übernahm König Fußball wieder das Zepter. Lautstark und mit aller Macht. Zwar rollt der Ball erst wieder morgen beim Testländerspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Argentinien. Aber landauf, landab ist das Gesprächsthema Nummer eins ohne Frage die gestrige Pressekonferenz von Bundestrainer Joachim Löw.

Wirklich gewollt haben dürfte Löw das mit seinem 45-minütigen Auftritt in Frankfurt nicht. Aber der Bundestrainer musste offenbar seinen Unmut von der Seele reden. Zu tief war der Zorn über die fast hämische Schelte nach dem EM-Halbfinale-Aus gegen Italien. Den Vorwurf, dass die Nationalspieler mit Migrationshintergrund die Hymne nicht mitsingen und deshalb weniger kämpfen würden, nannte er "fatal", die Leitwolfdiskussion "überflüssig" und die "Memmen-Debatte" schlicht "schlecht". All das hätte er auch als absurd, bekloppt, grotesk oder gar gefährlich bezeichnen können, denn Löw hatte mit seiner Replik auf die unsportliche Kritik nach dem für einige offenbar zu schmerzhaftem EM-K.-o. vor allem eines: recht.

Unrecht hatte der Wahl-Freiburger dagegen mit seiner Antwort auf die sportliche und vor allem sachliche Kritik im Anschluss an die Niederlage gegen Italien. Er habe damals eine Strategie verfolgt, dies werde er genauso wieder tun, erklärte der Bundestrainer, der eines leider nicht sagte: Seine Strategie im Spiel gegen Italien war falsch. Löw scheiterte mit seiner damaligen Taktik, die vor allem darauf abgestimmt war, den gegnerischen Spielmacher Andrea Pirlo auszuschalten. Statt sich wie sonst auf die eigenen Stärken zu besinnen, richtete er seine gesamte Strategie nach dem Gegner aus und verzichtete damit auf die spielerische Stärken seines Teams.

Sicher, Selbstkritik ist unter Trainern zwar nicht üblich, wäre aber gerade in diesem Fall wünschenswert gewesen. Dies hätte den deutschen Fußball mehr vorangebracht als jede Hymnen-, Leitwolf- oder Memmen-Diskussion.