Eine Glosse von Alexander Schuller

Der gestrige Montag begann mit einer Schusswunde. Würde der Schriftsteller Wolf Wondratschek sagen. Und zwar mit einer ganz tiefen: Denn wer mit viereckigen Augen nach einer kurzen Nacht den Fernseher einschaltete, fiel augenblicklich in ein tiefes und schwarzes Loch: kein Vorkampf im Taekwondo in der 56-Kilo-Klasse der Frauen. Keine Qualifikationsrennen der BMX-Fahrer. Keine Vorläufe im Viererkajak der Frauen. Stattdessen turnten bei den Privaten altbekannte, zwanghaft frohsinnige Moderatorenteams über den Schirm, die sogar aus einem iranischen Erdbeben eine Nummer machen. Während die Präsentatoren der Öffentlich-Rechtlichen mit bemerkenswert hartnäckiger Betroffenheit zu früher Stunde das Lebensgefühl verbreiten, dass es Menschen gibt, denen es doch noch viel, viel schlechter gehe als - genau - "Ihnen, liebe Zuschauer!". Damit meinen sie zurzeit vor allem die Griechen. Wahrscheinlich.

Endlich wieder Unbehagen, Zukunftsangst und depressives Gänsehautfeeling pur. Die gute alte Krisenstimmung sprang aus dem Stand auf den ersten Platz. Auch dem letzten Sportfan dürfte seit dem gestrigen Montagmorgen klar sein, dass nun wieder der Ernst des Lebens den Tagesablauf bestimmt. Dass es sich bei den fremden Menschen am Küchentisch um Familienmitglieder und/oder Lebenspartner handelt. Dass am Arbeitsplatz zwei Wochen Pensum nachgearbeitet werden müssen. Dass die fröhlichste Olympiade ohne Karenzzeit vom grauen Alltag abgelöst wird. Die Forderung nach einem Antrag beim IOC, die Abschlussfeier zukünftig auf den Freitag vorzuverlegen, ist daher längst überfällig.