Eine Olympiabewerbung würde dem deutschen Spitzensport nachhaltig helfen

Die zweitgrößte Exportnation, die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, hat die Sommerspiele der XXX. Olympiade auf Rang fünf beendet - was die Zahl der Medaillen betrifft. Das sind drei Plaketten mehr als vor vier Jahren in Peking, ein respektables Ergebnis also, dennoch ein Rückfall im Medaillenspiegel vom fünften auf den sechsten Platz. Dort steht nun mal Gold an erster Stelle. Elf Olympiasieger in London, fünf weniger als 2008, lassen den, zugegeben, gewagten Schluss zu: Deutsche Sportler sind zwar gut, jedoch nicht mehr spitze.

Ähnliche Aussagen haben zuletzt zahlreiche Athleten und Trainer getroffen und das deutsche Leistungssportsystem hart kritisiert. Es sei ineffektiv, es fehle Geld, die Unterstützung aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sei zu gering - was aus der Sicht der Betroffenen alles zutreffen mag. Und sie haben die entscheidende Frage gestellt: Was sind den Deutschen olympische Medaillen wert?

Viel, lautet die Antwort der Stiftung Deutsche Sporthilfe, die zu diesem Thema eine Studie in Auftrag gegeben hat. Demnach halten 97 Prozent der befragten Unternehmen Spitzensport für förderungswürdig, die Hälfte der Firmen sieht Spitzensportler als "Botschafter der deutschen Wirtschaft". Sie stünden für das "made in Germany", seien unverzichtbare Imageträger. Die Einschränkung folgt allerdings im nächsten Satz der Untersuchung: Nur 31 Prozent weisen dem Spitzensport für ihre eigenen Unternehmungen eine hohe Bedeutung zu.

Das zeigt das Dilemma. Die Freude über sportliche Erfolge ist in der Bevölkerung nach wie vor groß, was die Einschaltquoten bei ARD, ZDF und Eurosport belegen, die meisten verkennen indes, dass für viele Medaillengewinner - im Gegensatz zu den Profisportarten - Aufwand und Ertrag zumindest finanziell in einem bedauernswerten Verhältnis stehen.

Nach Abzug aller Kosten, hat die Sporthilfe errechnet, blieben einem deutschen Olympiateilnehmer 626 Euro im Monat zum Leben. Auswertungen wie diese schrecken weiter viele Talente ab, die Sport- der Berufskarriere vorzuziehen. Als die Handelskammer Hamburg und das Abendblatt 2011 um Unterstützung für die Hamburger Olympiakandidaten in Form einer Sportspende baten, kamen 5000 Euro zusammen. Eine ähnliche Aktion zur Rettung von Bäumen brachte im gleichen Zeitraum etwa 50-mal so viel.

Geld kann jedoch Medaillen kaufen. 1996 in Atlanta gewannen die deutschen Sportler 65, darunter 20 goldene, das Vereinigte Königreich 15 und eine goldene. 16 Jahre, den Zuschlag für London und einem Spitzensport-Förderungsprogramm später haben sich die Verhältnisse im Sommer gedreht. Die Briten holten bei ihren Heimspielen 65 Medaillen, 29 goldene, und katapultierten sich von einst Rang 36 auf Platz drei des Medaillenspiegels. Sie investierten in den vergangenen sieben Jahren zwar nur unwesentlich mehr als die Deutschen in den Spitzensport, sie verteilten die Mittel aber gezielt in Sportarten und Disziplinen, in denen die oft amateurhafte Konkurrenz mit professionellen Strukturen besiegt werden kann, im Rudern, Radsport und Reiten zum Beispiel. Macht man nämlich die Rechnung über die gesamte Olympiade auf, den Zeitraum von 2008 bis 2012 inklusive der Winterspiele 2010 in Vancouver, stünden die Deutschen mit 74 Medaillen besser als die Briten (66) da, nur nach Goldmedaillen (21:30) weiter schlechter. Allein die USA, China und Russland bieten eine ähnliche Breite an Höchstleistungen.

So schlecht kann es also um das deutsche Sportsystem nicht bestellt sein, was notwendige Verbesserungen nicht ausschließt. Eine konsequente Bewerbung für Olympische Sommerspiele würde zudem helfen, neue Geldquellen über einen verlässlichen Zeitraum zu erschließen. Sie würde letztlich der deutschen Medaillen-Position in der Sportwelt zugutekommen.