Alle reden von der Krise der Schifffahrt. Alexander Tebbe und Lucius Bunk sehen die Chance. Sie investieren in neue Frachter und wollen China erobern.

Bremerhaven. Tief unten im Maschinenraum der "Maple Lea" dröhnen die Dieselgeneratoren. Sie erzeugen den Bordstrom für den Frachter und laden den Druckbehälter des Anlassers auf 30 Bar auf. Am kommenden Tag soll die Seereise nach Venezuela beginnen. Aber noch schrauben und schmieren die Maschinisten der Besatzung und des Motorenherstellers MAK an dem mächtigen Sechszylinderdiesel. Einer von ihnen trägt einen roten Overall, der etwas über die Geschichte des Schiffes verrät. Auf dem Rücken des Arbeitsanzugs steht "Beluga Group". Es war das Unternehmen des Bremer Reeders Niels Stolberg, das im März 2011 nach einem spektakulären Niedergang Insolvenz anmelden musste. "Beluga Flirtation" hieß die "Maple Lea", als sie noch für Stolberg fuhr.

Alexander Tebbe, 30, wirkt begeistert wie ein großer Junge mit einem besonders großen Spielzeug. Der Mitbegründer und Co-Geschäftsführer von Auerbach Schifffahrt steckt in einem blauen Overall mit einem weißen Ahornblatt auf dem Rücken, dem Wappen der Hamburger Reederei. Er fachsimpelt im Motorenlärm mit dem Chefingenieur der "Maple Lea", während einer der Maschinisten, im Maschinengehäuse unter der Kurbelwelle liegend, seine Wartungsarbeiten verrichtet. "Tipptopp in Schuss, die Motoren und der gesamte Maschinenraum", ruft Tebbe durch den Lärm. "Nirgends Öl oder Fett, wo keins hingehört."

Im Werdegang der "Maple Lea" konzentrieren sich Aufstieg und Fall, Erfolg und Niedergang, Chance und Risiko in der Schifffahrt wie unter einem Brennglas. Die Krise der Branche, die als Folge der Finanzmarktkrise im Jahr 2009 begann, riss die wirtschaftlich bereits angeschlagene Beluga-Reederei in den Abgrund. Leiden müssen unter den Verwerfungen des Marktes aber auch viele Tausend Anleger, die in Schiffsfonds für die Finanzierung vor allem von Containerfrachtern investiert haben. Eine Reihe von Fonds sind bereits insolvent, anderen droht die Pleite und den Geldgebern der Totalverlust.

Alexander Tebbe und sein Kompagnon Lucius Bunk, 33, gründeten Auerbach Schifffahrt Ende 2010, ausgestattet mit Startkapital von Hamburger Kaufleuten wie Ian Karan oder Stefan Krämer. Sie starteten in der Krise, weil sie darin ihre Chance sahen. "Ich finde es sehr traurig, dass viele Anleger mit diesem Schiff Geld verloren haben", sagt Tebbe auf der Brücke der "Maple Lea". "Aber in der Boomzeit vor allem kurz vor der Krise wurden für viele neue Schiffe weit überhöhte Preise gezahlt. Die Kreditabträge dafür können viele Frachter nach dem Verfall der Charterraten, der Mieten für die Schiffe, nicht mehr erwirtschaften."

+++ Kommentar: Am Ende ist ein Anfang +++

Rund 12,6 Millionen Dollar zahlten die Jungreeder am 17. Juli bei einer Zwangsversteigerung in Rotterdam für das Schiff - weniger als die Hälfte des Neupreises, nur fünf Jahre nach dem Bau der "Maple Lea". In der Bremerhavener Bredo-Werft bekam der Frachter für umgerechnet 600 000 Dollar nach den nötigen Renovierungen die neue Fünfjahresklasse, den Schiffs-TÜV.

Eine Flotte von insgesamt zehn Frachtern wollen Tebbe und Bunk aufbauen. Die "Maple Lea" ist ihr drittes Schiff. Bereits im Juni ersteigerten sie auf Aruba für 13,2 Millionen Dollar deren Schwesterschiff "Beluga Fascination", die nun unter dem Namen "Maple Lotta" fährt. Und seit dem Frühjahr 2011 ist die "Maple Ingrid" unterwegs, der erste gebrauchte Mehrzweckfrachter von Auerbach Schifffahrt. Die beiden Beluga-Schiffe waren vor der Versteigerung im Eigentum der NordLB in Hannover. Die Anleger eines in Hamburg ansässigen Schiffsfonds haben ihren Kapitaleinsatz an den Schiffen mit der Insolvenz verloren. Die Bank gab Tebbe und Bunk Kredit, um gemeinsam mit dem Eigenkapital ihrer Reederei den Kauf der Frachter zu finanzieren.

Die gelernten Schifffahrtskaufleute wollen eine andere Reederei betreiben, als sie in den vergangenen Jahren in Deutschland üblich war. Zumeist bereedern Schifffahrtsunternehmen heutzutage Frachter, die von Schiffsfonds und Banken gemeinsam finanziert worden waren. Das sogenannte deutsche KG-Modell, finanziert mit dem Geld Zehntausender Anleger, machte deutsche Reeder vor allem in der Containerschifffahrt zu einer zentralen Größe des Welthandels. "Wir arbeiten nicht mit anonymen Anlegern", sagt Tebbe. "Unsere Kapitalgeber sind erfahrene Kaufleute, teils mit viel eigener Erfahrung in der Schifffahrt. Sie sind bei Auerbach Schifffahrt keine stillen Teilhaber, sondern aktive Mitgesellschafter."

Zweimal schon haben die Anteilseigner der jungen Reederei das Kapital erhöht, auf mittlerweile insgesamt zwölf Millionen Euro. "Die Finanzierung für ein viertes Schiff, organisiert gemeinsam mit einer norddeutschen Regionalbank, steht bereits", sagt Tebbe. Er hält es für denkbar, weitere Schiffe desselben Typs wie der "Maple Lea" zu kaufen. "Davon wurden auf chinesischen Werften insgesamt 87 Schwesterschiffe gebaut", sagt Tebbe mit Blick auf die beiden weißen Ladekräne an Deck, die von der Sietas-Tochter Neuenfelder Maschinenenfabrik in Hamburg stammen. "Diese Schiffe sind nicht besonders sexy, aber sehr leistungsfähig und vielseitig. Eine Art VW Golf der Meere."

Die Auerbach-Reeder setzen auf Mehrzweckfrachter, die Stückgut transportieren können, Industrieteile, aber auch Stahl- und Papierrollen, Baumstämme oder Schüttgüter wie Erze. Die "Maple Ingrid" hat seit der Übernahme durch die Hamburger Reederei gut 30 Häfen auf der ganzen Welt angelaufen. Alle drei Auerbach-Schiffe sind derzeit an andere Reedereien verchartert.

Langfristig wollen Tebbe und Bunk für ihre junge Reederei vor allem den chinesischen Markt erschließen. Bunk, der Chinesisch spricht, ist regelmäßig in Shanghai, um dort eine Handelsfiliale für Auerbach aufzubauen. "Die chinesische Industrie entwickelt immer mehr große Industriegüter für den Export. Für deren Transport braucht man Mehrzweckfrachter wie die ,Maple Lea'", sagt Tebbe. "Wir sehen in China für uns ein großes Marktpotenzial, denn viele chinesische Mehrzweckfrachter dieser Größe sind technisch in keinem sehr guten Zustand."

Zunächst aber soll die "Maple Lea" nach Südamerika auslaufen. Die Vorbereitungen laufen. Im Kapitänsbüro drängen sich Mitarbeiter der Reederei Held aus Haren an der Ems, die das Schiff betreibt, Experten des Germanischen Lloyds und ein Schiffsinspektor einer Versicherung. "Sind sie auch von der Reederei", fragt er Tebbe. Der lacht und gibt zurück: "Ja, ich habe kürzlich bei der Versteigerung in Rotterdam die Hand gehoben." Dann greift er in seinen ölverschmierten Overall. "Leider habe ich gerade keine Visitenkarte dabei."