Bis zu 30 Selfstorage-Häuser soll es mittelfristig in der Hansestadt geben. Hier wird bei Platznot oder Umzug Hausrat auf Zeit verwahrt.

Hamburg. Der Bau ähnelt einem Sicherheitstrakt. Alle Eingänge sind videoüberwacht. Die Türen lassen sich nur mit persönlichem Zahlencode öffnen. Zahllose Gänge durchziehen das sechsstöckige Gebäude von Pickens Selfstorage in Wandsbek, die zur Orientierung Straßennamen tragen. Von ihnen gehen 1400 begehbare Lagerräume verschiedener Größe ab. Jede Einheit trägt eine Nummer, ist durch ein grünes Rollgitter verschlossen und zusätzlich durch ein Hängeschloss gesichert. Ihren Inhalt kennen nur die Nutzer.

Stacheldraht und bewaffnete Wächter sucht man hier allerdings vergebens. Stattdessen sitzen am Empfang zwei nette Damen, die jeden Kunden beraten und dazu Kaffee und Wasser anbieten. Alles wirkt in dem Gebäude freundlich, hell und sauber. Es herrscht eine angenehme, trockene Raumtemperatur um die 20 Grad. Über Deckenlautsprecher rieselt Musik aus dem Radio. "Wir wollen, dass unsere Mieter ihre Sachen bei uns sicher einlagern können - und dies bei angenehmer Atmosphäre. Zudem sollen die Gegenstände auch nach Monaten noch so aussehen, wie zum Zeitpunkt der Einlagerung", sagt Wolfgang Köhnk, Geschäftsführender Gesellschafter von Pickens Selfstorage, der zugleich Vorsitzender des Verbands deutscher Selfstorage Unternehmen in Hamburg ist.

+++ Selfstorage-Lagerhaus wird gebaut +++

Ob bei Platznot in den eigenen vier Wänden oder bei Wohnortwechseln - immer mehr Menschen mieten sich Räume auf Zeit, um persönliche Dinge wie Möbel, Antiquitäten, Bücher, Kleidung oder Sammlungen zu lagern. Gerade in Großstädten, wo die Mieten hoch und viele Wohnungen nur kleine - nicht selten auch feuchte - Keller haben, steigt entsprechend die Nachfrage nach privaten Lagerräumen und damit auch das Angebot einer in Deutschland vergleichsweise jungen Branche: die Selfstorage-Unternehmen - also Firmen, die Stellflächen zum Selbsteinlagern anbieten. Bundesweit gibt es bereits rund 75 Anbieter, sagt der Verbandsvorsitzende Köhnk. Der 57-Jährige zählt zu den Pionieren der Branche in Deutschland und baute vor Pickens Selfstorage bereits das Unternehmen Secur auf. Der Umsatz der durchweg von Mittelständlern geprägten Branche wird bundesweit auf 30 bis 40 Millionen Euro geschätzt. Genaue Zahlen gibt es allerdings nicht.

In Hamburg sind aktuell vier Anbieter mit zehn Lagerstandorten am Markt: Der österreichische Branchenprimus My Place mit fünf, Secur mit drei und Pickens und Lagerbox mit je einem Standort. Noch in diesem Jahr will das Unternehmen Prime Selfstorage aus Wiesbaden in Harburg in der Buxtehuder Straße sein erstes Lagerhaus in Hamburg eröffnen. Das Gebäude befindet sich bereits im Bau und wird auf 8500 Quadratmeter Fläche rund 1100 Räume zur Vermietung bieten, sagt der Geschäftsführer Martin Brunkhorst. "Wir sehen in den Großstädten einen großen Wachstumsmarkt. Neben Harburg haben wir weitere Standorte in Hamburg im Visier." Mittelfristig will das Unternehmen "ein maßgeblicher Mitspieler in der Branche werden".

Auch Pickens plant einen weiteren Standort in der Hansestadt, sagt Köhnk: "Der Bauantrag für ein Lagerhaus in der Alsterkrugchaussee läuft. Wir wollen es im Frühjahr 2013 eröffnen." Das Unternehmen Secur will ebenfalls "weiter in Hamburg und Berlin expandieren", sagt Sprecherin Romana Gerick: "Alle Standorte in Hamburg laufen sehr gut und liegen über Plan." MyPlace hat aktuell keine aktiven Expansionsabsichten in Hamburg. Sollte uns jedoch ein geeignetes Grundstück in Erfolg versprechender Lage angeboten werden, würden wir uns mit diesem Thema beschäftigen", so der Regionalverantwortliche Matthias Walden: "Derzeit bauen wir unsere bestehenden Häuser aus."

Insgesamt setzt die Branche weiter auf Wachstum. "In fünf bis zehn Jahren werden wir in Hamburg 30 Lager haben", prognostiziert Köhnk in seiner Funktion als Verbandschef. Selfstorage trage dem gesellschaftlichen Wandel einer mobilen Gesellschaft Rechnung. Bis ein neu gebautes Lagerhaus ausgelastet ist - also etwa zu 90 Prozent belegt - dauere es etwa vier Jahre.

Wer Einlagerung von Gegenständen bislang mit finsteren Kellern mit Spinnenweben in Verbindung gebracht hat, wird bei den modernen Selfstorage-Lagern eines Besseren belehrt. "Wir nehmen in unserem Verband nur Unternehmen auf, die Wert auf gute Qualität und Service legen und haben dafür neben einem Gütesiegel auch eine DIN-Norm entwickelt, die alle Mitglieder erfüllen müssen", sagt Verbandschef Köhnk. Zu den Grundsätzen zählen, dass die Räume sicher, sauber, trocken, bequem, hell und freundlich sein müssen. Dazu gehört eine verlässliche Videoüberwachung, aber auch die richtige Belüftung und eine garantierte Raumtemperatur von mindestens zwölf Grad. Zudem müssen die Räume fast rund um die Uhr für die Mieter zugänglich sein - entsprechend liegen die Öffnungszeiten bei den meisten Anbietern an allen Tagen zwischen sechs und 22 Uhr. Es muss Aufzüge geben, um auch in oberen Etagen einen bequemen An- und Abtransport zu gewährleisten. Die Verbandsmitglieder wollen deshalb nicht die Billigsten, sondern vor allem die Besten sein. Ihre Räume gelten als einbruchsicher.

Ursprünglich kommt die Selfstorage-Idee aus Amerika. US-Soldaten lagerten dort einst Hab und Gut ein, wenn sie auf Auslandseinsatz waren. In Deutschland fasste die Idee Ende der 1990er-Jahren vor allem in Großstädten Fuß, wo der Wohnungsraum knapp und viele flexible umzugsfreudige Menschen leben - wie in Berlin, Hamburg und München. Aber auch in Frankfurt, Hannover, Nürnberg und sogar auf Sylt gibt es Selfstorage-Lager.

Die Größe der Lagerräume beginnt bei einem Quadratmeter, was bei einer Stapelhöhe von drei Metern einem Volumen von drei Kubikmetern entspricht - und geht bis zu 50 Quadratmeter. Der Preis richtet sich nach der Quadratmeterzahl und sinkt mit der Größe der Mietfläche. Einen Quadratmeter gibt es ab etwa 29 Euro. "In der Regel braucht man für die Unterbringung des Hausrats einer Wohnung etwa zehn bis 15 Prozent der Wohnfläche als Stauraum", sagt Köhnk aus Erfahrung. Der Inhalt einer 20-Quadratmeter-Wohnung - oder auch 25 Umzugskartons - lasse sich somit auf etwa 2,2 Quadratmeter stapeln für rund 76 Euro Mietkosten pro Monat. Das Mobiliar einer 200 Quadratmeter-Wohnung passe auf 20 Quadratmeter Fläche für rund 327 Euro Monatsmiete im Lagerhaus. "Die Kunden können auch während des Vertrags, je nach Bedarf, ihre Mietflächen jederzeit vergrößern oder verkleinern", nennt Köhnk die branchenüblichen Konditionen.

Die meisten Kunden von Selfstorage sind Privatleute, die in Wohnungen leben mit begrenzten Kellerräumen. Die Anlässe für eine vorübergehende Auslagerung sind ganz unterschiedlich. Oft sind es Situationen, in denen sich Grundlegendes im Leben verändert. "Mal sind es Paare, die zusammenziehen, zwei Haushalte zusammenlegen, die überschüssige Möbel aber nicht wegwerfen wollen, sondern erst mal einlagern", erzählt Köhnk. Nach Erbschaften werden gerne ganze Haushalte zunächst in den Räumen deponiert. "Häufig parkt ein Partner nach einer Beziehungstrennung seine Möbel bei uns, um sich in Ruhe eine neue Wohnung zu suchen", so Köhnk. Und Berufstätige oder Studenten lagern für einen Auslandsaufenthalt ihren Haushalt vorübergehend aus, um ihn nicht aufgeben zu müssen. Sportler deponieren ihre Tauchausrüstungen, Räder oder Surfbretter.

Für Weinliebhaber bietet Pickens sogar einen extra "Weinstorage" mit Kühlräumen an, die eine Temperatur von 13 bis 14 Grad sowie eine Luftfeuchtigkeit von 74 Prozent aufweisen - und damit beste Bedingungen bieten, um einen edlen roten oder weißen Tropfen über Jahre aufzubewahren. Eingelagert werden darf grundsätzlich alles - nur keine verderblichen Waren wie Lebensmittel, keine Tiere und nichts Explosionsgefährdetes wie Benzin.

Etwa ein Drittel der Kunden sind Gewerbetreibende: Handelsvertreter, die ihre Kollektionen und Waren einlagern, Handwerker, die ihre Werkzeuge zum Schutz vor Diebstahl auf den Baustellen über Nacht deponieren, oder zunehmend auch Ärzte, Rechtsanwälte und Steuerberater, die ihre Aktenordner und Dokumente hier lagern. Es gibt noch unzählige weitere Gründe für ein Mietdepot, meint Köhnk: "Irgendwann braucht jeder einfach mal mehr Platz - wenn auch nur auf Zeit."