Ein Kommentar von Alexander Schuller

Dieser Tage hört man vor allem aus den Mündern deutscher Olympioniken das Wort "bisschen". Dann, wenn sie mal wieder auf dem vierten oder fünften oder sechsten Platz oder auch unter "ferner liefen" gelandet sind. Ein Wort übrigens, das uns auch abseits der Londoner Sportstätten, im schnöden Alltag nämlich, geradezu inflationär begleitet: "Nur ein bisschen Alkohol getrunken", "ein bisschen Frieden", "kein bisschen weise."

Klookschieter wissen, dass es sich um die Diminutivform des Substantivs "Biss" handelt. Ein "bisschen" bedeutet immer "gerade so viel, wie man mit einem Biss abbeißen kann". Im täglichen Sprachgebrauch nutzen wir dieses Wörtchen, um a) eine kleine Menge von irgendwas zu beschreiben, oder b) im Zusammenhang mit einem Substantiv einen fatalen Umstand darzustellen und c), um einen Umstand als eher unwichtig einzuordnen.

Und genau jetzt wird es ein bisschen ärgerlich: Wenn nämlich die Athletin oder der Athlet nach der unübersehbaren Pleite den Satz "natürlich bin ich über meine Platzierung ein bisschen enttäuscht" ins Interviewmikrofon stammelt. Da quält und schindet sich jemand vier Jahre lang, lebt exakt nach Plan, ist finanziell nicht richtig abgesichert, muss Sponsorengelder erbetteln, verzichtet auf diverse Annehmlichkeiten des Lebens, schlägt sich mit biederen Sportfunktionären herum, erträgt schmerzhafte Verletzungen, lehnt dabei stoisch verbotene, leistungsfördernde Maßnahmen ab - und dieser Jemand ist dann tatsächlich nur "ein bisschen enttäuscht"? Was soll denn das heißen?

Ein "zutiefst enttäuscht" entspräche dagegen dem wahren Empfinden. Diese Ehrlichkeit käme an und Mitgefühl auf. Ein bisschen schwanger geht ja schließlich auch nicht.