Ein Kommentar von Achim Leoni

Dass die Engländer mit Begrenzungslinien Probleme haben, hätte man ahnen können. Seit 1966 halten sie an ihrer Überzeugung fest, das 3:2 von Geoff Hurst im Finale der Fußball-WM gegen Deutschland sei ein reguläres Tor gewesen, obwohl die Wissenschaft längst das Gegenteil bewiesen hat. Sei's drum, über Glaubensfragen sollte man nicht streiten.

In der Leichtathletik hat sich der Videobeweis längst durchgesetzt. Warum eine Kampfrichterin trotzdem zu dem Schluss kam, die Siebenkämpferin Lilli Schwarzkopf habe im 800-Meter-Lauf die Bahnbegrenzungslinie und damit Regel 163 übertreten, obwohl die Bilder das Gegenteil bewiesen, bleibt ihr Geheimnis. Schwarzkopf interpretierte es als englischen Humor. Im Gegensatz zu 1966 wurde die Fehlentscheidung immerhin revidiert.

Manchmal wünscht man sich aber, es gäbe keinen Videobeweis. Nicola Spirig und Lisa Nordén fielen beim Triathlon nach zweistündigem Kampf, nach 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Radfahren und zehn Laufen, gemeinsam ins Zielband. Erst nach ausgiebiger Bildanalyse kamen die Juroren zu dem Urteil, dass die Schweizerin Spirig 15 Zentimeter vor der Schwedin lag. Dabei steht im Regelwerk nur, dass elektronische Hilfsmittel erlaubt sind, nicht aber, dass es keine zwei Siegerinnen geben darf.

Beim Rudern schien es am Sonnabend eine Rule Britannia zu geben. Als sich im einheimischen Zweier kurz nach Beginn des Finales ein Sitz löste, wurde das Rennen zum allgemeinen Erstaunen abgebrochen und neu gestartet. Die Entscheidung entsprach jedoch Regel 71. Sie stammt aus einer Zeit, als die Ruder noch aus Holz waren und beim Start gern zu Bruch gingen. Früher war wohl doch nicht alles schlechter.