Seit vier Jahren leben die Schneiders mit einem Ton, der sich nicht abstellen lässt. Die Lärmquelle ist unbekannt, die Nerven liegen blank.

Neugraben. Das Drama begann in einer Februarnacht vor gut vier Jahren. Astrid Schneider, heute 56, lag wach in ihrem Bett und konnte nicht einschlafen. Denn da war plötzlich ein merkwürdiger Ton, den sie vorher noch nie gehört hatte. Eine Art Brummen, das sich jedoch nicht überhören ließ. Am nächsten Morgen, erzählte sie ihrem Mann Peter, heute 59, von ihrer schlaflosen Nacht. Peter Schneider reagierte so, wie man eben reagiert, wenn jemand über ein Geräusch klagt, das man selbst nicht hört. "Dann fallen Sätze wie: 'Das bildest du dir bloß ein.' Man denkt, man ist bekloppt", sagt Astrid Schneider.

Doch weil das menschliche Ohr die Eigenschaft besitzt, sich auf seine Umgebung einzustellen, dauerte es nicht lange, bis Peter Schneider den Ton ebenfalls hörte. Seitdem hat sich das Leben des Ehepaares gründlich verändert. Denn der Ton ist praktisch immer da. "Am schlimmsten höre ich ihn nachts, mit dem Kopf auf dem Kissen, wenn es draußen still ist", sagt Astrid Schneider, deren Nerven blank liegen, auch wenn sie nach außen hin fröhlich zu wirken versucht. Nach einer Woche Urlaub in Bad Zwischenahn schläft sie wieder besser. Aber wie lange?

In den folgenden Jahren versuchten die Schneiders, die Lärmquelle ausfindig zu machen. Zeit genug hatten sie dafür, da Tesa (Peter) und Karstadt (Astrid) sie vorzeitig aufs Altenteil schickten. Dass der Ton jedoch nicht in ihrer Einbildung existiert, können nicht nur ihre Verwandten, Freunde und Bekannten bestätigen, sondern auch ihre direkten Nachbarn - doch bei denen ist der mysteriöse Ton längst nicht so laut und durchdringend.

"Ich hab mich dann mal schlaugemacht", erzählt Peter Schneider, der aus etwas härterem Holz geschnitzt ist als seine Frau und den Dauerton rigoros auszublenden versucht. Das gelang ihm schon immer am besten draußen, im Garten - und so verwandelte sich das Grundstück über die Zeit in ein kleines Planten un Blomen. Übers Internet fand Peter Schneider heraus, dass sein Ton sich im Tieffrequenzbereich zwischen 80 und 100 Hertz bewegt. "Wir haben daraufhin mithilfe von Vattenfall unser gesamtes Haus stromlos gemacht. Wir haben auch die Wasserwerke, den Bezirksschornsteinfeger und die Telekom eingeschaltet, um alle infrage kommenden Lärmquellen zu lokalisieren, aber wir wissen jetzt nur mit Sicherheit, dass wir für den Ton nicht verantwortlich sind."

Und seitdem die Schneiders ihr Problem auf Handzetteln sowie auf der Harburger Regionalversammlung öffentlich machten, wissen sie auch, dass einige ihrer direkten Nachbarn den Ton ebenfalls wahrnehmen; allerdings nicht so häufig und nicht so laut.

Später saßen auch Leute vom Fach auf ihrem Sofa im ersten Stock des kleinen, gelb geklinkerten Einfamilienhauses in der ansonsten ruhigen, grünen, hügeligen Wohnstraße Bergheide, die rund einen Kilometer Luftlinie von der stark befahrenen Cuxhavener Straße entfernt liegt.

"Wenn wir die Fenster schließen, hören wir den Verkehr nicht mehr. Aber den Ton!", sagt Astrid Schneider. So wie ein Mitarbeiter vom Umweltdezernat des Bezirksamts, der zweimal eine Lärmmessung vornahm, die eine Phonstärke von unter 35 Dezibeln ergab, was einen behördlichen Handlungsbedarf nicht rechtfertigt. "Dabei geht es ja gar nicht um Lautstärke", sagt Peter Schneider, "sondern um die unangenehme Frequenz des Dauertons."

Seine Frau Astrid hat die Lärmattacken der vergangenen drei Jahre in insgesamt sechs Schulheften handschriftlich akribisch notiert - inklusive der Zeiten, der vorherrschenden Wetterlagen, der empfundenen Intensität, und manchmal konnte sie nicht anders und hat ihre verzweifelte Wut mit drastischen Worten kommentiert: "21. Oktober, Don. Scheiße, Mist. Es ist das Letzte. Als ob wir in einem Trafohäuschen wohnen."

Björn Heichen von der Lairm Consult GmbH im schleswig-holsteinischen Hammoor nimmt solche Hilferufe wie den der Schneiders ernst. Aus seiner Praxis kennt der Diplom-Ingenieur nicht wenige solcher Fälle, in denen ein störendes Brummen Menschen terrorisiert. Lärmgeplagte, so Heichen, würden ihm zudem häufiger berichten, von staatlichen Stellen "alleingelassen zu werden". Vereinzelt, sagt er, würden solche Phänomene häufig erst einmal als "Spinnerei" abgetan.

Heichen hörte einige Zeit lang angestrengt hin und schließlich dann auch den Ton, der die Schneiders zermürbt. "Allerdings war er an diesem Tag, wie Frau Schneider meinte, nicht so prägnant." Überhaupt sei es immer sehr schwer, solche Lärmquellen ausfindig zu machen, gerade in diesem Frequenzbereich. "Dieser Ton dringt durch Fenster, auch Körperschallübertragungen über Erdreich sind nicht auszuschließen, und wir können zum Beispiel auch nicht sagen, ob es sich um Luftschall oder Körperschall handelt."

Heichen empfahl den Schneiders, bei der weiteren Suche nach der Lärmquelle auf das Ausschlussverfahren zu vertrauen. "Hierbei ist die Mithilfe von potenziellen Nachbarbetrieben sinnvoll und hilfreich. Langzeitmessungen können zwar mittlerweile durchgeführt werden, doch ohne eine entsprechende Dokumentation auf Betreiberseite ist ein Auswerten unmöglich. Wenn nur gemessen wird, kann lediglich der Ton gemessen werden, aber das Aufspüren der Lärmquelle ist praktisch unmöglich. Festzustellen, dass der Ton da ist, hilft den Betroffenen häufig ja nicht weiter, zudem ist eine solche Dauermessung auch sehr teuer." Heichen vermutet, dass sich die Quelle des Nervtöters in mindestens 300 Meter Entfernung befindet. "Aber wie soll ich herausfinden, wer hier in der Nähe vor viereinhalb Jahren irgendein technisches Gerät installiert hat, das infrage kommen könnte?", fragt sich Peter Schneider. Das Ehepaar hofft nun auf den TÜV Nord, der ihnen eine bezahlbare technische Messung in Aussicht gestellt hat.

Doch die Schneiders sind sich sicher: Wenn nicht bald ein Wunder geschieht, dann wird es wohl nichts mit dem erhofften ruhigen Rentnerleben in Neugraben.