Das einzigartige Spezialgerät ist bis Ende August im Einsatz. An gleicher Stelle soll nach den Abbrucharbeiten ein InterCityHotel eröffnen.

St. Pauli. Es knirscht und kracht und staubt. An der St. Petersburger Straße, zwischen Planten un Blomen und dem Messe-Eingang Ost, ist der größte Bagger der Welt im Einsatz. Wie ein Eisen und Beton fressendes Ungetüm nähert sich seine acht Tonnen schwere Schere den mächtigen 50-Zentimeter-Stahlträgern des früheren Messeturms und zerknackt sie, als seien es Streichhölzer. Bis Ende August soll nichts mehr von dem zehnstöckigen Gebäude übrig sein. An seiner Stelle will der Immobilienentwickler B&L ein Hotel errichten.

Sechs Meter lange Stahlstücke und Betonbrocken fallen zur Erde. Immer wieder pausiert der Riesenbagger, damit die Schuttberge von kleineren Baggern weggeräumt werden können. "Der Abbruch muss auf ein Sandbett fallen", sagt Manfred Ulrichson, der die Abrissarbeiten koordiniert. "Knallen Eisenteile und Betonstücke auf Steine, prallen sie ab und werden zu Geschossen." Ulrichson war schon als kleiner Junge von großen Baggern fasziniert. Weil ihn diese Leidenschaft nicht losließ, kehrte der gelernte Nautiker der See früh wieder den Rücken, gründete ein Abrissunternehmen - und stellt sein Wissen auch nach dessen Verkauf vor mehr als zehn Jahren weiter zur Verfügung. Auf der Messeturm-Baustelle arbeitet er für das Hamburger Abbruchunternehmen Ehlers & Söhne.

+++ Messeturm weicht InterCity-Hotel: Straße gesperrt +++

Das holte für den Abriss des 45 Meter hohen Messeturms den Superbagger Caterpillar 511O 85M des niederländischen Unternehmens Euro Demolition. Er wiegt 270 Tonnen, kann seinen Teleskopausleger 85 Meter weit ausfahren und ist ein Unikat: Die niederländischen Konstrukteure rüsteten einen "normalen" 160-Tonner aus dem Tagebau auf und verbreiterten ihn von vier auf acht Meter, die mächtigen Ketten verlängerten sie von sechs auf 9,5 Meter. Seine "normale" Leistung beträgt 750 PS, durch Tuning kann sie auf 1400 PS erhöht werden. Nur zwei Männer auf der Welt können den Superbagger bislang fahren: der Holländer Gerwin Wijs und sein Kollege Paul Postümüs.

Ulrichson ist froh, dass der große Bagger wieder im Einsatz ist. Bereits Ende Mai hatte dieser mit seinem Werk begonnen - doch dann gab es eine zweimonatige Zwangspause. Die vier Millionen teure Sonderanfertigung war zwei Tage nach Beginn der Arbeiten auf spektakuläre Weise kaputtgegangen.

Baggerführer Wijs, der zum Zeitpunkt des Unfalls in der Fahrerkabine saß, erinnert sich nicht gern an den Moment, als plötzlich ein starker Ruck durch die schwere Maschine ging und er die grüne, fünf Tonnen schwere Baggerschere aus 50 Meter Höhe auf sich zusausen sah. "Ich bin sofort raus und habe erst mal einen Kaffee getrunken", sagt der Niederländer. "Erst dann habe ich mir angeschaut, was passiert war." Wegen eines Konstruktionsfehlers war der "Löffelstiel" (der Ausleger, an dem die Werkzeuge, in diesem Fall die Schere, befestigt werden) gebrochen. Das schwere Eisenwerkzeug war in den Teleskoparm des Baggers gekracht und baumelte jetzt - gehalten nur von Leitungen und den beiden Hydraulikpressen - hoch über den Köpfen von Wijs und den anderen Arbeitern.

"Es gibt nur zwei Firmen in ganz Europa, die Ersatzteile für einen Bagger wie diesen anfertigen können", sagt Abrissberater Ulrichson. So dauerte die Reparatur von "Löffelstiel" und Ausleger auch länger als ihre Produktion.

+++ Abrissarbeiten am Messeturm haben begonnen +++

Rund zehn Männer arbeiten auf der Baustelle an der Messe. Um die Arbeiten in der Zeit, in der der Superbagger repariert wurde, nicht gänzlich ruhen lassen zu müssen, haben sie mit kleinerem Gerät weitergearbeitet. Da der alte Messeturm dicht am Messe-Eingang Ost und der St. Petersburger Straße, die seit dem 9. Juli gesperrt ist, liegt, mussten Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Auf der einen Seite wurde die Straße gesperrt (und bleibt das noch bis Ende August), auf der anderen Seite verhindert eine von einem Telekran gehaltene Gummimatte, dass Abbruchmaterial die Glasdächer durchschlägt. Ulrichson hat die zehn mal 28 Meter große Matte aus alten Förderbändern zusammenschustern lassen. Bei einer Größe von 350 Quadratmeter und einem Gewicht von zehn Tonnen ist der Kranausleger wie ein Flitzebogen gespannt. Die Matte hat Ulrichson immer gut im Blick. "Sie ist wie ein Segel. Bei stärkeren Böen muss sie sofort runter", sagt er. 20 Tonnen könne der 200-Tonnen-Kran halten, risse der Wind an ihr, erhöhe sich ihr Gewicht von zehn auf 28 Tonnen.

Der zwölfstöckige Turm setzt sich aus zwei getrennten Hälften zusammen. "Damit das Gebäude nicht umkippt, nehmen wir uns immer nur drei Stockwerke auf einmal vor", sagt Abbruchexperte Ulrichson. Und so knabbert der Superbagger immer abwechselnd auf der einen und dann auf der anderen Seite. Durch die Baggerpanne kann der Abriss erst zwei Monate später als geplant beendet werden. Die weiteren Baumaßnahmen sollen sich aber nicht verzögern. Wie vorgesehen soll hier im Frühjahr 2014 das dritte InterCityHotel der Stadt eröffnen.