Das Abendblatt lädt Leser zur Hafenrundfahrt mit Politikern ein. Bildungssenator Ties Rabe stellt sich Sonntag in einer Woche, es folgt Olaf Scholz

Hamburg. Wie nähert man sich als normaler Bürger einem Senator? Schon die Frage kommt uns heute ein wenig komisch vor. Das war 1969 völlig anders. Damals gab es eine sehr viel größere Distanz zwischen Politik und Bevölkerung, direkte Begegnungen waren nicht unbedingt vorgesehen. Senatoren galten in den Augen vieler Menschen als Autoritäten, denen zuerst Respekt entgegengebracht werden musste.

Als das Abendblatt 1969 die Aktion "Fragen Sie den Senator!" aus der Taufe hob, hielt es die Zeitung für zweckmäßig, die Leser auf die Besonderheit der Kampagne einzustimmen. "Erstmals ist es möglich, die Sorgen und Anliegen einzelner an den Hohen Senat direkt heranzutragen. Welche Chance!", schrieb das Abendblatt am 22. Januar 1969 durchaus ehrfürchtig.

+++ Das ist die "Hamburger Deern" +++

+++ So kommen Sie an Bord - schicken Sie Ihre zentrale Frage +++

Wir wollen die Abendblatt-Aktion "Fragen Sie den Senator!" nach mehr als 40 Jahren in zeitgemäßer Form wieder aufleben lassen. Dazu laden wir Leser und ihre Partner oder eine Begleitung auf die Barkasse "Hamburger Deern" ein. Als Erster wird Schulsenator Ties Rabe am Sonntag, 12. August, an Bord Rede und Antwort stehen. Schulbau oder -sanierung, das Thema Inklusion oder der massive Ausbau von Ganztagsschulen - alles soll zu Wort kommen.

Ausdrücklich lobte der Autor des Auftaktberichts damals die Bereitschaft der Senatoren mitzumachen (vom damaligen Ersten Bürgermeister Herbert Weichmann war nicht die Rede). "Solche Haltung versteht sich nicht von selbst", hieß es dann. Senate seien in Hamburg "traditionell reserviert und auf politische Handlungsfreiheit bedacht". Und wer es nicht gleich verstanden hat, für den kommt es noch einmal ganz deutlich: "Unangenehme Fragen können störend wirken. Sie können es in der Tat." Umso bemerkenswerter sei "das couragierte und freimütige Einverständnis" der Senatoren mit der Aktion.

Zur Erinnerung: Wenige Monate später betrat der Amerikaner Neil Armstrong als erster Mensch den Mond. Und die Bundesrepublik Deutschland war seit 20 Jahren eine Demokratie, was wörtlich übersetzt ja eigentlich Herrschaft des Volkes heißt.

Auch wenn uns heute manches ein wenig altbacken vorkommt, es sind die Anfänge direkter Kommunikation in der Demokratie. Längst ist es für heutige Politiker selbstverständlich geworden, unter multimedialer Beobachtung und damit auch einem fortdauerndem Rechtfertigungsdruck zu stehen. Wer als Parlamentarier zum Beispiel auf der Onlineplattform "abgeordnetenwatch.de" nicht zügig oder gar nicht auf Userfragen antwortet, muss mit einer Rüge rechnen, wenn die gestrengen Aufseher ihre Bilanz ins Netz stellen.

Ganz traute das Abendblatt seinen Lesern damals die direkte Begegnung mit den Senatoren übrigens noch nicht zu. Die Fragen mussten eingesandt werden, wurden zu "Kernfragen" gebündelt "und dem zuständigen Senator mit der Bitte um Beantwortung übermittelt". Doch die Leser packten damals "heiße Eisen" an - die mögliche Störung für Senatoren hin oder her. In einer der ersten Folgen ging es zum Beispiel um Schulpolitik. Manche der Themen sind verblüffend aktuell: Auch Ende der 60er-Jahre kritisierten Eltern den Unterrichtsausfall an der Schule ihrer Kinder und die Raumnot an den Schulen.

Für besondere Empörung sorgte der "Schachtelunterricht" - dabei ging es aber nicht, wie man meinen könnte, um Container auf dem Schulgelände, also Unterricht in der Stahlbox. Schachtelunterricht bedeutete, dass zwei Klassen nacheinander in einem Raum unterrichtet wurden, wodurch sich der Schultag bis in den Nachmittag hinziehen konnte. Die Raumnot war damals in der Folge geburtenstarker Jahrgänge sehr groß - und der staatliche Schulbau kam nicht so schnell hinterher.

Genau das ist übrigens der Grund, warum die Schulbehörde derzeit mehr als 400 Container - oder freundlicher: mobile Klassenräume - auf dem Gelände von Schulen aufgestellt hat. Und wie reagierte der damalige Schulsenator Wilhelm Drexelius auf die Kritik? Er sagte Besserung zu und wies auf schon erreichte Erfolge hin. Das Muster ist auch heute durchaus vertraut.

Dafür zu sorgen, dass Ideen und Kritik der Leser von den Rathaus-Politikern wahrgenommen werden, hat beim Abendblatt eine lange Tradition. Die allererste Aktion der Zeitung zum Jahreswechsel 1948 / 49 hieß "Bürgermeister für einen Tag". Das war nicht etwa eine frühe Form des Rollentauschs im Job, wie es heute praktiziert wird. Dahinter verbarg sich schlicht der Aufruf zu einem Gedankenwettbewerb: Gesammelt wurden originelle Vorschläge zur Verbesserung der Lebenssituation der Menschen in der noch immer von den Kriegsschäden gezeichneten Stadt. Unter den prämierten Einsendungen - es gab nützliche Sachpreise wie einen Kühlschrank oder einen Teppich - war der Vorschlag, eine Lotterie zugunsten des Wohnungsbaus zu starten.

Jetzt lautet das Motto erneut: "Fragen Sie den Senator!" Und wir wollen ein kleines Versäumnis nachholen: In der zweiten Folge heißt es dann "Fragen Sie den Bürgermeister!". Dann bitten wir Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz auf die Barkasse.