Gerichtssprecher Björn Kaufert räumte gegenüber dem Abendblatt ein, dass der Prozess gegen die von der Untersuchungshaft verschonte Angeklagte im Fall der erwürgten Blankeneser Kaffee-Erbin Verena J. (75) nicht wie geplant verhandelt werden konnte. Sind die Richter am Landgericht Stade überlastet?

Hamburg. "Das Landgericht ist gut beschäftigt." Wie berichtet, ist Adelheid B. (51) wieder auf freiem Fuß. Sie hatte gestanden, die Pensionärin auf einem Maisfeld bei Stade erwürgt zu haben.

Laut Kaufert hat die Angeklagte, die bis zu einem Urteil als unschuldig gilt, das Recht, dass zügig verhandelt wird. "Etwa zwei- bis dreimal in der Woche. In diesem Fall waren die Abstände größer." Adelheid B. saß seit Mitte September in Untersuchungshaft. Laut Strafprozessordnung soll diese Haftzeit aber nicht länger als sechs Monate dauern. Dass die Überschreitung der Frist auf Überlastung zurückzuführen sei und die Angeklagte deshalb auf freien Fuß gesetzt werden musste, wollte Gerichtssprecher Kaufert allerdings nicht bestätigen. Der Hauptgrund für die Haftverschonung sei, dass die Fluchtgefahr der Angeklagten nicht mehr so hoch angesehen werde wie bei der Festnahme. Wie sich die Auffassung des Gerichts dazu geändert hat, konnte er nicht erklären.

Burkhard Vonnahme, Sprecher der Staatsanwaltschaft, hält die Entscheidung für vertretbar. Die Sachlage habe sich durch die Terminverschiebungen geändert. Rudolf Fischer, FDP-Fraktionschef im Buxtehuder Stadtrat und ehemaliger Staatssekretär im niedersächsischen Landesministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten, sagt: "Eine Schlussfolgerung, die man aus den terminlichen Engpässen ziehen könnte, kann natürlich sein, dass eine Unterbesetzung am Landgericht vorliegt."

Laut Professor Bernd-Rüdeger Sonnen von der Uni Hamburg handelt es sich bei der Entscheidung um einen seltenen Ausnahmefall. Der Strafrechtsexperte ist jedoch skeptisch, ob das Gericht den sogenannten Grundsatz der Beschleunigung des Verfahrens eingehalten hat. Danach müssen die Termine nach Eröffnung der Hauptverhandlung zügig folgen. Sitzt der Angeklagte in Haft, gelte dies umso mehr. "Sicherlich sind die Strafgerichte überlastet. Trotzdem sollten die Richter die Termine und gegebenenfalls auch ihre Urlaubspläne so abstimmen, dass Verfahren zügig durchgeführt werden können." (sba/ur/nib)