Das Abendblatt sprach exklusiv mit den beiden Vorsitzenden, die schwere Vorwürfe gegen die ehemaligen Vorstände erheben.

Hamburg. Der Hamburger Tierschutzverein (HTV), der das Tierheim Süderstraße betreibt, hat seit einem Jahr einen neuen siebenköpfigen Vorstand. Das war der Neuanfang nach der Affäre um den ehemaligen Vorsitzenden Wolfgang Poggendorf. An diesem Sonnabend wird der Vorstand auf der Jahreshauptversammlung in der Universität Hamburg eine erste Bilanz ziehen. Erwartet werden rund 200 Mitglieder. Das Hamburger Abendblatt hat vorab mit der Vorsitzenden Gabriele Waniorek-Goerke (57) und dem Zweiten Vorsitzenden Manfred Graff (59) über erste Erfolge, finanzielle Schwierigkeiten und Pläne für die Zukunft gesprochen.

Abendblatt:

Der neue Vorstand ist ein Jahr im Amt. Was hat sich seitdem positiv verändert?

Gabriele Waniorek-Goerke:

Ehrlicher und leidenschaftlicher Tierschutz ist kein Lippenbekenntnis mehr, sondern tägliche Realität im Tierheim. Die Tiere stehen hier wieder im Vordergrund. Vor allem hat sich das Herangehen an Probleme geändert.

Abendblatt:

Was sind das für Probleme?

Waniorek-Goerke:

Die Tatsache, dass es alte und kranke Langzeitinsassen gibt, wird nicht mehr verschwiegen, sondern offensiv dargestellt. Wenn es Konflikte gibt, werden diese offen ausgesprochen und diskutiert.

Abendblatt:

Können Sie erste Erfolge verbuchen?

Waniorek-Goerke:

Unsere Vermittlungszahlen sind sehr gut. Wir haben in Mai 2009 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum die Bestandszahl bei den Hunden um mehr als 30 Prozent gesenkt. Mit unserem Gassigehprojekt sorgen wir dafür, dass die Hunde regelmäßig aus ihren Zwingern kommen.

Abendblatt:

Wie stellt sich die finanzielle Situation des HTV da?

Manfred Graff:

Es ist uns zwar gelungen, den Negativtrend abzuschwächen. Aber die Lage ist keinesfalls zufriedenstellend. Über viele Jahre hinweg hat der HTV über seine Verhältnisse gelebt. Einen traurigen Höhepunkt stellt das Jahr 2007 dar, das in Verantwortung des alten Vorstands unter Wolfgang Poggendorf mit mehr als 1 Million Euro Defizit abzuschließen ist. Da ist es schon ein kleiner Erfolg, dass 2008 mit "nur" 257 000 Euro Defizit abgeschlossen werden konnte.

Abendblatt:

Wie schätzen Sie die Lage des HTV ein?

Graff:

Durch die jahrelange Misswirtschaft ist der HTV zu einem "armen" Tierschutzverein geworden. Unsere liquiden Rücklagen sind so gering, dass sie den Verein und sein Tierheim, wenn alle Einnahmen auf einen Schlag ausbleiben würden, nur noch für ein gutes halbes Jahr finanzieren könnten.

Abendblatt:

Steht inzwischen fest, wie viel der HTV an das Finanzamt nachzahlen muss?

Graff:

Ja. Wir haben die entsprechenden Steuerbescheide erhalten. Durch den rückwirkenden Entzug der Anerkennung als gemeinnütziger Verein für die Jahre 2004 bis 2006 ist dem HTV ein Steuerschaden von annähernd 233 000 Euro entstanden. Allerdings sind wir derzeit wieder als gemeinnützig anerkannt.

Abendblatt:

Welche zivilrechtlichen Forderungen werden noch an Wolfgang Poggendorf und andere ehemalige Vorstände vonseiten des HTV gestellt?

Graff:

Wir haben an Wolfgang Poggendorf - wie auch an andere ehemalige Vorstandsmitglieder - eine ganze Liste von Forderungen, die aus dem Fehlverhalten der ehemaligen Führungskräfte des Vereins resultieren. Der Entwurf der Klageschrift umfasst annähernd 100 Seiten. Die Gesamtsumme beträgt fast 500 000 Euro. Wir verhandeln aber derzeit mit den ehemaligen Vorständen, um eine außergerichtliche Einigung zu erreichen.

Abendblatt:

Was tut der Vorstand, um das Vertrauen der Mitglieder und Tierfreunde zurückzugewinnen?

Waniorek-Goerke:

Wir arbeiten mit unseren zehn Regeln, die wir für diesen Zweck geschaffen haben. Das gesamte Handeln im kaufmännischen und rechtsgeschäftlichen Bereich unterstellen wir diesem einfachen Regelwerk, das leicht überprüfbar ist. Wir werden außerdem das Deutsche Spendensiegel beantragen. Damit streben wir ein Zertifikat an, das nur besonders seriös und transparent arbeitende gemeinnützige Vereine erhalten.

Abendblatt:

Mit welchen Maßnahmen will der Vorstand die finanzielle Situation verbessern?

Waniorek-Goerke:

Wir wollen es mit Öffentlichkeitsarbeit und gezielter Sponsoren- und Mitgliederwerbung schaffen, den HTV wieder für Personen attraktiv zu machen, die dem Tierschutz Geld zuwenden wollen. Vor allem sind wir auf mehr Testamente angewiesen.

Abendblatt:

Welche Vorhaben will der HTV dieses Jahr umsetzen?

Waniorek-Goerke:

Wir müssen die Sozialstation und auch das Kleintierhaus sanieren. Unser neuer "Kuschelraum" soll Interessenten, aber auch Gassigehern die Möglichkeit geben, sich mit einem Tier intensiv und "indoor" beschäftigen zu können. In Kürze werden wir einen Badeteich für die Hunde eröffnen.