Wegen eines Umzugs räumte die Polizei seinen Wagen beiseite. Am Ende war Abendblatt-Reporter Philip Volkmann-Schluck um 300 Euro ärmer und einige zweifelhafte Erfahrungen reicher.

Wenn eine Uhr tickt, von der man nichts weiß, ist das unfair. Manchmal sogar, wenn man sie längst hätte bemerken müssen. Es war schon dunkel, als ich an diesem Abend zu meinem Freund Kevin ins Auto stieg, um ihn zu einem Parkplatz bei mir um die Ecke zu lotsen. Wer sich im Grindelviertel nicht auskennt, braucht lange, um einen zu finden. Und es sollte schnell gehen, wir wollten bei guter Musik auf meiner Wohnzimmercouch in Bierlaune versinken. "Park da vorn um die Ecke, dort stehe ich auch", sagte ich. "Wo denn?", fragte Kevin.

Damit war alles gesagt, doch unbequeme Wahrheiten erkennt man nicht sofort. Auf meinem vermeintlichen Parkplatz stand ein weißer Lieferwagen. Bilder schossen durch meinen Kopf. Orte in der Nachbarschaft, an denen ich sonst parke. Orte sogar, an denen ich überhaupt schon mal in meinem Leben geparkt habe. Zwecklos. Ich wusste, ich hatte meinen roten VW-Bus genau hier abgestellt. Und er war weg.

"Hätte". Wieder und wieder sagte ich dieses Wort. Immer lauter. "Hätte!" Wir fuhren nun auf der Amsinckstraße in Richtung Rothenburgsort. Wie ein schmutziges Band zog sich die Ausfallstraße durch die regnerische Nacht. Der Polizist am Telefon war irgendwie noch nett gewesen. "Ja, wir haben ihn" und "Auf dem Verwahrplatz" - seine Worte klangen nun fern, wie die Stimme eines Therapeuten. "Hätte", begann ich wieder, "dieser verdammte Umzug nicht auch ohne meine Parkbucht geklappt?" Seit Jahren schon parke ich neben den Altpapiercontainern hinter der Uni, nie wurde ausgerechnet hier umgezogen. Vier Tage nur hatte ich das Auto stehen lassen, nicht die Schilder gesehen, die eine Streife aufgestellt hatte. Alle 48 Stunden hätte (!) ich die "Parksituation" überprüfen müssen, sagte die Polizei. Mir ist niemand bekannt, der so was tut: nach dem Abendessen noch mal rausgehen um nach neuen Verbotsschildern zu suchen. Wäre Kevin nicht zu Besuch gekommen, ich hätte wohl noch später bemerkt, dass mein Auto schon seit zwei Tagen im Knast ist und dort der Gebührenzähler läuft.

Mein Freund steuerte schweigend das Auto, nickte pflichtbewusst bei jedem "hätte". Feinfühlig genug, um nicht zu sagen: "Philip, das mit dem öffentlichen Raum ist so eine Sache. Eine Million Autos gibt es in Hamburg, die dürfen alle mal in begehrten Gegenden parken, gerade wenn es für einen Umzug ist." Ich suhlte mich also weiter in meiner Wut: "Sonst hätte ich jetzt ein Bier in der Hand." Ich schaute aus dem Fenster und sah draußen vor allem leere Parkplätze, überall und auf jeder Seite. Meine Faust sauste auf das Handschuhfach: "Hätten die meine Karre nicht einfach hier abstellen können?"

Rostige Karossen säumen die letzten Meter vorm Autoknast. Autohändler haben sich hier niedergelassen. Wie passend. Ölpfützen schillern auf Asphalt. "Scheißgegend", sagte ich, trotz meiner Schwäche für Hamburgs ungeschminkte Ecken. Fast bedauerten wir, dass Kevins Wagen nicht mit in den Knast durfte, wir wollten ihn nicht alleine hier draußen stehen lassen. Aber unschuldige Autos müssen draußen bleiben. Und ein Auto, das hier einmal drin steht, kommt so schnell nicht raus. Ein drei Meter hoher Zaun um einen 5100 Quadratmeter großen Platz, Videokameras an jeder Ecke. Höchstens die Hälfte der 150 Parkplätze war belegt. Strafzettel klemmten unter Scheibenwischern und flatterten leblos im Wind, finstere Scheinwerferpaare schienen zu grinsen.

In Stephen Kings "Trucks" sind Autos zu Monstern geworden und haben sich gegen die Menschen verschworen. Im Autoknast kann hingegen ein schweres Gitter vor die Schranke an der Ausfahrt geschoben werden, sollte sich ein Mensch gegen die Autorität auflehnen. Und dass einer ohne zu bezahlen mit seinem Auto herausbrettern will, damit scheint man hier zu rechnen. Vielleicht lässt das den Besucher erschaudern: Der Autoknast drückt aus, dass die Zeiten härter werden. Er steht für einen Staat, der offenbar Gesetze mit Stahl und Wachpersonal gegen seine Bürger durchsetzen muss. In einer offiziellen Erklärung für die Gründung des Verwahrplatzes im Jahr 2004 heißt es, viele Verkehrssünder würden die Abschleppkosten sonst nicht bezahlen. Im Autoknast läuft alles nur gegen Vorkasse. Das bedeutet: Wer nicht mindestens 269 Euro plus 25 Euro für einen Strafzettel plus 8,50 Euro für jeden weiteren Tag auf den Tisch legt, geht zu Fuß weiter. Eine schmerzhafte Vorstellung, ist ein Pkw doch immer noch Symbol der persönlichen Freiheit. Zudem hätten auch andere Bundesländer längst einen Verwahrplatz, hieß es.

Das alles interessierte mich herzlich wenig. Schön, haben andere Bundesländer eben auch so einen miesen Autoknast, dachte ich. Der Eingang ist links neben der Schranke, auch der kann mit einem Stahltor verschlossen werden. Wer zu seinem Auto will, muss durch eine Sicherheitsschleuse. Einen schmalen Gang entlang, zu einer Scheibe aus Panzerglas. Warum das so ist, wusste ich, denn ich hatte vor der Tür drei glatzköpfige Männer gesehen, die schimpfend ihre muskelbepackten Arme durch die Luft sausen ließen. Ich ging zum Schalter. "Sie wissen, warum ich hier bin", sage ich. "Ich kann es mir denken", antwortete die Frau am Schalter, so, als hoffe sie, dass ich danach die Klappe halte. Sie reicht sie mir die Rechnung und deutet auf den EC-Kartenleser. "Die Polizei schickt ihnen den Rest zu", sagt sie, "wir hier sind ja nicht die Polizei." Und keine netten Menschen, füge ich in Gedanken an Wiebke hinzu, die ich weinend vor dem Tor traf. Die 22-Jährige hatte nach dem Kellnern in Barmbek entdeckt, dass ihr Wagen abgeschleppt wurde. "Mit einem Reifen auf dem Gehweg gestanden, ich hatte es eilig", sagte sie schulterzuckend. "Zahlung nicht möglich", zeigte ihr der EC-Kartenleser an, und sie wusste warum. Nun wartete sie auf einen Freund, der ihr Geld vorbeibringen will. Damit sie nicht zum S-Bahnhof Tiefstack gehen muss, um dort im Schein des nahen Kohlekraftwerkes zwischen eingetretenen Fahrplankästen auf die S-Bahn zu warten.

Wer im Autoknast ist, weiß, was gute Freunde bedeuten. Fast zärtlich musste ich meinen Kumpel Kevin anschauen, während uns ein schweigender Knastwärter zum Auto brachte. Kevin lächelte, allerdings nicht über mich, sondern über einen bulligen BMW, den gerade ein dröhnender Abschleppwagen absetzte. Er sagte: "Irgendein Schnösel wird sich gleich freuen, wenn er nach dem Sektschlürfen eine seiner Geliebten zu sich nach Hause fahren will." So ist das mit Autos: Klischees und Schadenfreude liegen dicht beieinander. Doch der Autoknast trifft jeden: Hier stehen koreanische Familienkombis neben Sportwagen, klapprige Volkswagen aus den 80er-Jahren und moosbesetzte Wohnmobile. Einige, sagt die Polizei, sind so alt, dass ihre Besitzer sie nicht mehr aus dem Knast befreien. Sie werden versteigert.

"Kontrollieren Sie auf mögliche Schäden, dann bitte hier unterschreiben." Nur dieses eine Mal brach der "Knastwärter" sein Schweigen. Mein roter VW-Bus stand in einer Ecke am Zaun. Traurig sah das aus, noch vor einer Woche war er über die menschenleeren Landstraßen auf Sylt gefahren. Seeluft im Kühler, Dünen im Rückspiegel. Schäden konnte ich nicht finden. Leider. "Hat wohl alles seine Ordnung", sagte ich schmallippig und bekam ein Ticket für die Schranke an der Ausfahrt. Im Auto schaltete ich das Radio ein. Es lief prompt "I knew you where waiting for me" von Aretha Franklin und George Michael. Ich lauschte. Verdammt, hatte ich eben wirklich gesagt, das habe alles seine Ordnung? Mehr als 270 Euro musste ich bezahlen. Ich kenne Leute, die haben dafür einen Last-Minute-Urlaub gebucht, Flug, Sonne und Meer inklusive. Rund 20 000 Hamburger landen jedes Jahr im Autoknast, so wie ich. Trotzdem arbeitet dieses Monstrum laut Polizei noch immer nicht kostendeckend. Annähernd 100 000 Euro fließen jährlich aus der Steuerkasse hinzu. Vielleicht kannibalisiert sich der Autoknast ja selber, dachte ich. Durch seine "abschreckende Wirkung" seien seit 2004 die Abschleppzahlen von jährlich 45 000 auf nunmehr 35 000 gesunken. Doch am Ende steigen so wohl nur die Preise.

Ein gelber Abschleppwagen drängelte sich vor mich, noch bevor ich den Ausgang erreichte. Hinter ihm warteten noch drei weitere. Gönnerhaft winkte mich ein Trucker vor. Ich steckte die Karte in den Schlitz, die Schranke öffnete sich. Ich summte zur Melodie im Radio: "The hurt is over, one touch and you set me free." Die Kolonne von vier Schleppern dröhnte mit wackelnden Haken Richtung City. Sie hatten in dieser Nacht wohl noch viel vor.