1952 hatte das Hamburger Abendblatt eine Aktion organisiert: einen tierischen Höhenflug vom Austragungsort Helsinki nach Norddeutschland.

Hamburg. Helsinki, 1952. Die Olympischen Sommerspiele markierten den Höhepunkt in Zátopeks Karriere. Ziemlich sportlich war er damals mehr als 1000 Kilometer weit geflogen. Knapp zwei Wochen hatte er für diesen Höhenflug gebraucht. Zátopek belegte damit Platz 150 - leider keine Medaille. Machte nichts, denn allein das olympische Motto zählte: Dabei sein ist alles.

Und schließlich geht es in dieser Anekdote nicht um den tschechischen Leichtathleten Emil Zátopek, der 1952 einen Rekord aufstellte, weil er sowohl über 5000 Meter, 10.000 Meter und im Marathon jeweils eine Goldmedaille gewann. Die Rede ist von dem vier Jahre alten Täuberich Zátopek aus der Nähe von Hamburg, dem besten Langstreckenflieger in Peter Oests Schlag. Heidelberg, Basel, Genf. Hatte er alles schon erflogen. Und dann eben Helsinki. "Das war schon ein besonderer Flug", sagt der heute 80-jährige Peter Oest. "Es war toll, dass wir mit unseren Tauben etwas zu diesen Olympischen Sommerspielen beitragen durften."

+++ Die blauen Tauben von Kiew

Denn erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg durften deutsche Athleten 1952 in Helsinki wieder an den Spielen teilnehmen. Das Hamburger Abendblatt hatte sich deshalb als Zeichen der Freude eine besondere Aktion einfallen lassen: Hunderte Tauben aus Hamburg und Umgebung wurden mit dem Schiff 'La Paloma' gen Skandinavien gebracht und pünktlich zur Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele frei gelassen, um ihre Reise in die Heimat anzutreten. Kein ungefährliches Unterfangen.

"Wir konnten den Flug ja nicht richtig trainieren", sagt Peter Oest. Wegen der Teilung Deutschlands waren die Tauben eher Startpunkte im Süden und Westen gewohnt. Zudem falle Tauben der Flug über Wasser schwerer als über Land. "Wir haben Zátopek diese Herausforderung zugetraut und gehofft, dass er wiederkommt", sagt Oest. "Aber sicher konnten wir uns nicht sein." Bei vielen anderen Züchtern seines Vereins "Freiflug Ahrensburg" sei die Angst zu groß gewesen, dass das geliebte Federvieh nicht heimkehren würde. "Es lauern natürlich Gefahren auf so einer Strecke", sagt Oest. "Zum Beispiel Greifvögel, Stromkabel und andere Taubenhalter, deren Futterkübel die Tiere locken."

Am 19. Juli 1952 gegen 13 Uhr wurden fast 1000 Tauben nahe Hanko, der südlichsten Stadt Finnlands, freigelassen. Am 23. Juli 1952 um 16.57 Uhr erreichte die erste von ihnen ihren heimatlichen Schlag in Lübeck. Am 31. Juli 1952 um 22 Uhr wurde die Wertungsliste mit 81 Rückkehrern geschlossen. Peter Oests Zátopek war jedoch nicht dabei, kam später. "80 Prozent der Tauben kamen gar nicht zurück", sagt der Ahrensburger. Schon als Kind fing Oest mit der Taubenzucht an. Es war ein gemeinsames Hobby von ihm und seinem Vater. Deshalb war Zátopek auch nicht auf Peter Oest, sondern auf dessen Vater Frank angemeldet. "Ich war ja erst 20 Jahre alt, und bei solchen Wettbewerben durften nur Volljährige mitmachen", sagt Oest. "Und das war man damals erst mit 21 Jahren." Aber nicht nur das familiäre Wirgefühl begeisterte ihn. "Irgendwie hatte ich immer ein bisschen Fernweh." Und wenn einen schon nicht die eigenen Beine in die weite Welt tragen, dann immerhin die Flügel des kleinen Blauen.

Am 4. August 1952 kam Zátopek zurück. "Wir hatten schon gebangt", sagt Oest. Sofort ging er zum Kreisverband der Reisetaubenzucht und ließ den Nachzügler handschriftlich in die Wertungsliste eintragen, die er inzwischen erhalten hatte. "Und ich bekam die Urkunde", sagt Oest heute und hält sie hoch. Ein bisschen stolz ist er.