Die Zahl der Jobsuchenden in Hamburg steigt um 3,4 Prozent auf 72.653. In der Hansestadt gibt es aber immer noch 3358 freie Lehrstellen.

Hamburg. Sönke Fock bleibt gelassen. Für den Chef der Arbeitsagentur Hamburg ist ein Anstieg der Arbeitslosigkeit im Ferienmonat Juli nicht ungewöhnlich. "Das ist der Urlaubszeit geschuldet, aber kein Alarmsignal für die weitere Entwicklung", sagt Fock. In Hamburg waren im Juli 72 653 Menschen arbeitslos gemeldet. Im Vergleich zum Vormonat ist das ein Zuwachs von 3,4 Prozent. Die Arbeitslosenquote stieg von 7,4 auf 7,6 Prozent.

Für den Anstieg der Arbeitslosenzahl gibt es mehrere Faktoren. Im Juli beenden viele junge Menschen ihre Ausbildung, ohne gleich eine neue Stelle zu finden. So stieg die Zahl der Arbeitslosen der unter 25-Jährigen im Juli in Hamburg um 22 Prozent im Vergleich zur Vormonat. Zum anderen laufen viele befristete Verträge im Sommer aus. Die Unternehmen verschieben die Einstellung neuer Mitarbeiter oft bis zum Ende der Feriensaison. Schulabgänger, die über die Arbeitsagentur einen Ausbildungsplatz suchen, gehen nicht in die Arbeitslosenstatistik ein.

Im aussagekräftigeren Ein-Jahres-Vergleich steht Hamburg weiterhin gut da. Die Arbeitslosigkeit liegt 2,5 Prozent unter dem Vorjahr. "Die Erwerbstätigkeit in der Hansestadt ist sicherer geworden", sagt Fock. "Kleine und mittelständische Unternehmen halten ihre langjährig beschäftigten Mitarbeiter, weil sie fürchten, die Fachkräfte sonst nicht wiederzubekommen."

+++Arbeitsmarkt in der Sommerflaute - mehr Jobsuchende in Hamburg+++

Diese Entwicklung zeigt sich auch in der Statistik. In den ersten sieben Monaten des vergangenen Jahres meldeten sich 54 840 Hamburg aus der Erwerbstätigkeit neu arbeitslos. Im gleichen Zeitraum dieses Jahres waren es 11,2 Prozent weniger. Gleichzeitig steigt in Hamburg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Gegenüber dem Vorjahr sind noch 21 000 Beschäftigte hinzugekommen, was einem Zuwachs von 2,5 Prozent auf 857 000 Personen entspricht.

Wer seinen Job dennoch verliert, kann von einem großen Angebot an freien Stellen profitieren. Insgesamt sind das rund 15 500 zu besetzende Arbeitsplätze. "Angesichts dieser Faktoren bin ich optimistisch, dass die Zahl der Arbeitslosen nach der Sommerflaute weiter sinken wird", sagt Fock. "Ich gehe davon aus, dass wir im September oder Oktober weniger als 70 000 Arbeitslose haben werden."

+++ Sommerflaute lässt Hamburger Arbeitslosenquote ansteigen +++

+++ Zahl der Arbeitslosen steigt im Juli – 2,876 Millionen ohne Job +++

Auch bundesweit hat die Hauptferienzeit die Zahl der Arbeitslosen auf 2,87 Millionen steigen lassen. Das ist ein Zuwachs von 67 000 Arbeitslosen gegenüber dem Vormonat. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,2 Prozentpunkte auf 6,8 Prozent. Eine Trendwende oder Delle am Arbeitsmarkt sieht aber der Chef des Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, noch nicht. Die Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung schürten zwar schlechte Erwartungen, konkretisiert habe sich aber noch nichts, sagte er. "Daher bleiben wir bei der Einschätzung: Es wird keinen weiteren Abbau von Arbeitslosigkeit geben, es wird weiter einen Aufbau von Beschäftigung geben, der aber nachlässt."

Diese auf den ersten Blick widersprüchliche Aussage erklärte BA-Vorstand Raimund Becker mit der Zuwanderung: Seit Einführung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit zum 1. Mai 2011 hätten 95 000 Menschen aus Osteuropa eine Beschäftigung in Deutschland aufgenommen. Im Zuge der Wirtschaftskrise seien weitere 28 000 Arbeitnehmer aus Griechenland, Portugal, Spanien und Italien dazugekommen. Allein dadurch habe sich die Zahl der Beschäftigten hierzulande um mehr als 120 000 erhöht, ohne dass die Arbeitslosigkeit gesunken sei.

Für die 2800 Schulabgänger auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz gibt es in Hamburg noch gute Chancen. "Wir verfügen noch über 3358 freie Stellen, davon rund 1000 im Handwerk", sagt Fock. Im Vormonat waren es noch knapp 4000. "Das zeigt, die hohe Dynamik in diesem Markt", sagt Fock. Die Lage sei ganz anders als noch vor vier oder fünf Jahren, als es noch an Ausbildungsplätzen mangelte.

Heute suchen die Unternehmen verzweifelt Auszubildende, so wie die EMA Maschinen- und Apparatebau GmbH in Hamburg. "Wir wollen zwei Zerspanungsmechaniker mit der Fachrichtung Frästechnik ausbilden", sagt Peter Hoffmeister von der EMA. "Wir suchen Realschüler mit guten Mathematikkenntnissen." Zwar würde der Maschinenbauer mit 35 Mitarbeitern lieber ausgebildete Zerspanungsmechaniker einstellen, doch die sind auf dem Arbeitsmarkt nicht zu bekommen. Jetzt setzt das Unternehmen auf die eigene Ausbildung, auch wenn sie damit bisher wenig Glück hatte. "Die Azubis sind leider nicht im Unternehmen geblieben, sondern haben studiert", sagt Hoffmeister. Dabei wäre ein sicherer Arbeitsplatz im Unternehmen garantiert. "Die Auftragslage ist sehr gut", sagt Hoffmeister. "Wir könnten im Drei-Schicht-Betrieb arbeiten, wenn wir genügend Personal hätten."

Auch die Lehrstellenbörse der Handelskammer verzeichnet noch 584 offene Lehrstellen. Das sind 250 mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Doch wird es offenbar immer schwieriger, Azubis und Ausbildungsbetriebe zusammenzubringen. So suchen 250 eine Ausbildung zum Kaufmann/-frau im Einzelhandel. Gleichzeitig gibt es noch 318 freie Stellen in Hamburg. Offenbar entsprechen die Bewerber nicht den Vorstellungen der Unternehmen. Doch Fock appelliert an die Firmen, nicht nur nach Aktenlage zu entscheiden, sondern sich erst einmal einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Viele Schulabgänger klagen auch darüber, dass sie keine Reaktion auf ihre Bewerbung erhalten.