Deutschlands größter Modellbauer Staufenbiel eröffnet eine neue Filiale. Auch der Internetversand gewinnt in der Branche an Bedeutung.

Barsbüttel. Männer spielen ein Leben lang. Erst mit Lego, später mit Playstation und Computer. Im Mannesalter dann versucht Andreas Och,den Spieltrieb noch einmal neu zu entfachen. "Es ist ja nicht mehr so, dass der Vater seinen Sohn mit in den Hobbyraum zum Modellbau nimmt und sich diese Tradition von Generation zu Generation automatisch fortsetzt", sagt der geschäftsführende Gesellschafter der Gustav Staufenbiel GmbH, des größten Modellbaufacheinzelhändlers in Deutschland. Der jugendliche Modellbauer stirbt aus. Erst in einer späteren Lebensphase gewinnt dieses Hobby an Bedeutung.

Ob ferngesteuerte Hubschrauber, Autos oder Flugzeuge: "Unsere Kunden erleben die Faszination des Hobbys meist bei Vorführungen", sagt Och. Der Vorteil des späteren Einstiegs: Die Kunden verfügen über ein höheres Einkommen als Jugendliche und sind in einer gefestigten Position als Facharbeiter, Ärzte oder Rechtsanwälte. Die Konjunktur spielt kaum eine Rolle für ihre Kaufbereitschaft. 200 000 bis 300 000 Männer beschäftigen sich in Deutschland mit Modellbau.

In zwei Wochen, am 8. August, eröffnet Staufenbiel im Othmarschen-Park eine neue Filiale. Nach der Aufgabe des Stammsitzes in Harburg wegen fehlender Erweiterungsmöglichkeiten hat sich das vor mehr als 100 Jahren in Hamburg gegründete Unternehmen neu aufgestellt. "Obwohl 80 Prozent unseres Umsatzes über das Internet abgewickelt werden, spielen die Läden für uns eine große Rolle", sagt Och. "Sie gehören einerseits zu unserer Tradition, und auf den großen Ausstellungsflächen können wir bereits zusammengebaute Modelle präsentieren."

Das neue Geschäft im Westen der Stadt mit rund 600 Quadratmeter Fläche ist strategisch gut positioniert, unmittelbar an der Autobahnauffahrt. "Allein im Autobahndreieck A 23/A 7 gibt es fünf Modellflugvereine", sagt Och. Insgesamt schätzt er ihre Zahl in Norddeutschland auf 150 bis 200. Wie die Berliner Staufenbiel-Filiale wird auch das neue Geschäft in Othmarschen viel Einsteigerware bieten. Die Hälfte der Fläche ist für Events wie Meisterschaften oder Workshops vorgesehen.

Bereits bezogen ist das neue Hauptquartier in Barsbüttel. Die bisherige Firmenzentrale mit Ladengeschäft und Lager im Obergeschoss des Harburger Marktkauf-Centers bot keine ausreichenden Entwicklungsmöglichkeiten mehr. "Warenanlieferung und der Versand waren unter den örtlichen Bedingungen nicht mehr vernünftig zu handhaben", sagt Och. Denn Staufenbiel verschickt täglich 300 bis 400 Sendungen an seine Kunden. Ersatzflächen, die es ermöglicht hätten, ein verkehrsgünstig gelegenes großes Lager mit einem Ladengeschäft zu kombinieren, wurden ihm vom Bezirk nicht angeboten. "In Barsbüttel wurden wir dagegen mitoffenen Armen empfangen", sagt Och. "Es gab schnelle Entscheidungen, und auch das Ladengeschäft im Gewerbegebiet war kein Problem."

Rund 2,5 Millionen Euro hat Staufenbiel in die neue Firmenzentrale investiert. Vor allem der Versandhandel wächst jährlich mit zweistelligen Raten. Auf 1600 Quadratmetern sind Lager, Büros, telefonische Auftragsannahme, eine eigene Reklamationsabteilung und ein Ladengeschäft untergebracht. Vom neuen Lager aus werden nicht nur Privatkunden, sondern auch Fachhändler in Österreich, Italien, Schweden und den Beneluxstaaten beliefert. 2011 erreichte das Unternehmen einen Umsatz von 8,4 Millionen Euro. "Unser wichtigster Auslandsmarkt ist Frankreich", sagt Och. 26 Fachkräfte arbeiten in Barsbüttel; jeder Zweite von ihnen ist selbst Modellflieger. So werden neue Trends schnell aufgespürt. "Wir können nicht mit Aushilfen arbeiten - bis ein Verkäufer eingearbeitet ist, dauert es fünf bis sechs Jahre."

Innerhalb von zwei Jahrzehnten hat Och aus einem Spielwarengeschäft mit Modellbauabteilung in Harburg den Marktführer des Modellbau-Facheinzelhandels in Deutschland gemacht. "Unser Bekanntheitsgrad bei den Modellbauern liegt bei fast 100 Prozent", sagt er. Zwar gibt es in Deutschland noch rund 1000 inhabergeführte Modellbauläden. Aber bei Ladenflächen von 80 bis 100 Quadratmetern sind ihre Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt. In Hamburg haben schon fast alle aufgegeben. Und auch Staufenbiel wird seinen kleinen Laden in Poppenbüttel noch in diesem Jahr schließen. Vor zehn Jahren gab es noch fast zwei Dutzend solcher Fachgeschäfte in der Hansestadt. "Der Kunde erwartet ein besonderes Einkaufserlebnis, will die Modelle funktionstüchtig und nicht verpackt in Kisten sehen, wünscht sich Vorführungen und hohe fachliche Kompetenz der Verkäufer, ist andererseits aber nicht bereit, dafür mehr als den Warenpreis im Internet zu zahlen", beschreibt Och die Lage.

Nicht erst, seit funkgesteuerte Autos und Hubschrauber auch mal im Supermarkt angeboten werden, setzt Staufenbiel auf vorgefertigte Produkte, die es woanders nicht gibt. Lange Zeit stand das Zusammenbauen im Vordergrund. Das ist jetzt nicht mehr gefragt. Möglichst schnell auf den Modellflugplatz ist das Ziel vieler Kunden. Da ist es gut, wenn neue Flugobjekte diesen Trend unterstützen, etwa ein Quadrocopter. Der ähnelt einem Hubschrauber mit vier über Kreuz angeordneten Propellern, die nach oben zeigen, ist in 20 Minuten flugbereit und viel einfacher zu steuern als ein Flugzeug. Zudem kann eine Kamera für Luftaufnahmen angebracht werden. So hofft Och, neue Kunden zu gewinnen.

Bereits 1999 hat Staufenbiel die Marke Dymond übernommen, unter deren Namen elektronische Bauteile wie Servos, Flugregler und Elektromotoren angeboten werden. Damit war die Grundlage geschaffen, die Eigenproduktion von Modellen auszuweiten. Gefertigt wird in Tschechien und Fernost. Der 51-jährige Firmenchef ist deshalb auch viel unterwegs: "Nur mit genauer Anleitung lässt sich die Produktion in China oder Vietnam realisieren."

Etwas Erleichterung will Andreas Och sich deshalb im Inland verschaffen. Das neue Geschäft in Othmarschen wird im Franchisesystem geführt. Doch auch dabei setzt er auf Erfahrung. Übernommen wird das Geschäft von dem Unternehmer, "der bereits als Filialleiter die Berliner Filiale zur Blüte geführt hat", sagt Och. Und in Berlin rückt ein Kollege aus dem Unternehmen nach. Die Entwicklungsmöglichkeiten in der Firma sind beschränkt. "Die Übernahme einer Filiale ist deshalb die Chance zu größerer Verantwortung."