Staufenbiels Chefetage fühlt sich von Politik und Verwaltung ausgebremst. Es gab keine Erlaubnis für eine Erweiterung am Großmoorbogen.

Harburg. Ein Spielzeug- und Modellbau-Fachgeschäft verlässt nach 113 Jahren seinen Stamm- und Gründungssitz Harburg. Die Firma Gustav Staufenbiel GmbH wäre nach den Worten von Geschäftsführer Andreas Och gern in Harburg geblieben, um weiter wachsen zu können, suchte zuvor eineinhalb Jahre im Bezirk nach einer neuen Bleibe, erhielt aber - so sein Vorwurf - keine ausreichende Unterstützung von Seiten der Politik und der Verwaltung. Inzwischen hat das 32 Mitarbeiter zählende Unternehmen seinen Hauptsitz mit Ladengeschäft, Warenlager und Verwaltung bereits in einen eigenen Neubau nahe der A1-Autobahnanschlussstelle Barsbüttel, Landkreis Stormarn/Schleswig-Holstein, verlegt.

Die bisherige Firmenzentrale im Obergeschoss des Harburger Marktkauf-Centers am Seeveplatz mit 700 Quadratmeter großem Ladengeschäft und ebenso großem Warenlager soll im Sommer aufgegeben werden. Alte Stammkundschaft aus dem Hamburger Süden muss dann künftig neue Wege gehen. Etwa 300 Kunden zählt das Harburger Geschäft täglich. Sobald der alte Harburger Stammsitz im Sommer geräumt ist, will die Firma als Gegenpol zum Standort Barsbüttel ein neues Geschäft im Hamburger Westen, nahe der Autobahn 7, Bezirk Eimsbüttel, eröffnen. Staufenbiel betreibt zudem bereits seit 1994 ein Geschäft in Poppenbüttel und seit 1996 ein weiteres in Berlin.

Wie eine Sucht

Der Weg ist zu weit

"Wir expandieren schon seit vielen Jahren", sagt Andreas Och, "wir sind in Deutschland inzwischen Marktführer des Modellbau-Facheinzelhandels." 1999 hatte die Firma Staufenbiel den Hersteller Dymond übernommen und fertigt Eigenprodukte in Tschechien und Fernost. Schwerpunkt Flugzeugmodelle und Zubehör. Für zahlreiche ausländische Hersteller hat Staufenbiel den Vertrieb in Deutschland übernommen.

Dass Staufenbiel in Harburg bei der Suche nach einem neuen Firmensitz von Seiten der Verwaltung und der Politik keine ausreichende Unterstützung erhalten haben will, ist für Jürgen Heimath, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bezirksversammlung, nicht nachvollziehbar. "Das wirkt befremdlich", sagt er und kündigt dazu eine an die Verwaltung gerichtete Anfrage seiner Fraktion an. Jörg Heinrich Penner, Dezernent für Wirtschaft, Bauen und Umwelt, sagt: "Staufenbiel betreibt zentrenrelevanten Einzelhandel. Das Geschäft darf zum Schutz der Stadtzentren nicht außerhalb angesiedelt sein. Wir hatten dem Unternehmen fünf Alternativstandorte im Kerngebiet angeboten. Im Gespräch waren das P&C-Haus, das Staples-Gebäude, das Selfstorage-Gelände, das denkmalgeschützte Balatros Haus und das Harburg Center. Ich weise den Vorwurf der unzureichenden Unterstützung zurück."

Andreas Och sagt, dass die Angebote nicht seinen Vorstellungen entsprochen hätten. Sein Wunsch sei gewesen, am Großmoorbogen das Grundstück mit dem ehemaligen Schaulandt-Würfel zu übernehmen. Das sei zwar außerhalb des Stadtzentrums, aber dort sei von Politik und Verwaltung auch früher schon Einzelhandel zugelassen worden, darunter Fahrräder, Tierfutter, Babyartikel, Backwaren. Och: "Wir durften da aber nicht hin, obwohl unser Umsatzschwerpunkt nicht mehr im Einzelhandel sondern im Versandhandel liegt und wir auf gute Verkehrsanbindung angewiesen sind." 60 Prozent Versand, 40 Prozent Ladengeschäft. Mit dem Internet kam das Wachstum. "Wir schlagen in Harburg pro Monat die Warenmenge eines Seecontainers um. Wir beliefern mehr als 30 000 Kunden in ganz Europa." Bislang mussten Spediteure für alle ankommenden und ausgehenden Lieferungen bei Staufenbiel zum Nebeneingang des Marktkauf-Centers, Ebelingstraße/Rieckhoffstraße, fahren, weil die Haupt-Warenrampe des Hauses an der Buxtehuder Straße keinen geeigneten Zugang zum Obergeschoss hat. Vom Nebeneingang musste die Ware dann zum Lager im Obergeschoss des Hauses transportiert oder abgeholt werden. Und der Bezirksordnungsdienst oder die Polizei lagen bereits auf der Lauer und schrieben Knöllchen, denn die Spediteure durften mit ihren Lieferwagen nicht in die Halteverbotszone vor dem Center einfahren. Och: "Es gab kaum noch Spediteure, die zu uns kommen wollten. Aber auch dieses Problem wurde von Politik und Verwaltung nicht gelöst, obwohl sich das alte Centermanagement sehr dafür eingesetzt hatte."

Die Firma war 1899 von Gustav Staufenbiel mit einem kleinen Laden an der Ecke Schloßmühlendamm/Lämmertwiete gegründet worden. Zuerst wurde mit Fahrrädern und Nähmaschinen gehandelt, später auch mit Spielwaren. Das Geschäft war zuerst von Staufenbiels Tochter und dann vom früheren Lehrling Heinrich Och übernommen worden. Der richtete in den 1970er-Jahren auch die Modellbauabteilung ein, verlegte Anfang der 1980er-Jahre das Geschäft in einen Neubau am Sand und übernahm zu der Zeit auch das Spielwarengeschäft Andersen am Harburger Rathausplatz. Seit Anfang der 1990er-Jahre leitet sein Sohn Andreas Och die Geschäfte. Er zog zu der Zeit mit dem Geschäft in das Marktkaufcenter ein und hat mit seinen bisherigen Strategie-Entscheidungen meist richtig gelegen. "Ich bedaure den Wegzug von Harburg wirklich", sagt er, "an den neuen Standorten werden uns die Kunden noch besser erreichen." Flugmodelle und Automodelle mit Motoren und Funkfernsteuerung sind heute gefragt. Bausätze mit Packungsgrößen von 1,50 Meter Länge sind vom Kunden aus dem Laden zum Auto zu transportieren. Och: "Da ist es gut, wenn der Weg kurz ist." Und für den Versandhandel sei es wichtig, dass das Lager funktionell und schnell arbeite und Spediteure ungehindert an- und abfahren können. Mit dem Umzug in den Neubau in Barsbüttel trennte sich Staufenbiel vom Handel mit Modelleisenbahnen (Märklin) und kleinen Modell-Sammlerautos (Wiking).

Volodymyr Kaczmyruk, Centermanager des Marktkauf Centers, bedauert den bevorstehenden Auszug des Großmieters Staufenbiel. "Wir werden die Flächen wieder vermieten", sagt er, "über neue Nutzung kann ich zurzeit noch nichts sagen. Wir bemühen uns, das gesamte Angebotsniveau im Haus weiter zu heben und sehen uns als eine Ergänzung zu unserem Nachbarn Phoenix Center."