Alexander Falk droht Einzug des von der Staatsanwaltschaft eingefrorenen Vermögens. Es geht um mindestens 30 Millionen Euro.

Neustadt. Der einstige Börsenstar wirkt gut erholt, richtig entspannt. Als hätte er gerade einen Segeltörn unterbrochen, um mal eben bei der Hamburger Justiz vorbeizuschauen. Die Haut ist tief gebräunt, ein weißes Hemd hängt leger aus der Jeans. Lächelnd und in Turnschuhen betritt Alexander Falk den Landgerichtssaal, nimmt neben seinen Verteidigern Platz - und vertieft sich dann im schicken, aber überhitzten, neuen Saal der Wirtschaftsstrafkammer in sein iPad.

Ob die Nonchalance nur aufgetragen oder echt ist, bleibt das Geheimnis des 42-jährigen Erben des gleichnamigen Stadtplan-Verlags. Denn vor Gericht schweigt er, und auch den Medienvertretern begegnet er mit ungewohnter Zurückhaltung. Dabei geht es um Geld, sehr viel Geld: um mindestens 30 Millionen Euro seines Vermögens, eingefroren von der Staatsanwaltschaft, als die gegen Falk wegen Betrugs und Bilanzfälschung ermittelte. Im Mai 2008, nach einem zähen, dreieinhalb Jahre dauernden Mammutverfahren, hatte das Hamburger Landgericht Alexander Falk wegen versuchten Betrugs zu vier Jahren Haft verurteilt: Er habe, so das Gericht, durch Umsatzmanipulationen den Verkaufswert seiner börsennotierten Internetfirma Ision künstlich in die Höhe getrieben und sie im Jahr 2000 für überteuerte 763 Millionen Euro an das britische Unternehmen Energis Plc verkauft - die Firma habe demnach mindestens 30 Millionen Euro mehr gezahlt, als der Internetdienstleister, der zeitweise bis zu 30.000 Geschäftskunden betreute, tatsächlich wert gewesen sei. Insgesamt sicherte sich die Staatsanwaltschaft neben dem Vermögen von Falk weitere rund 50 Millionen Euro bei der Ision-Muttergesellschaft Alexander Falk Holding, vier Millionen bei der seit 2003 insolventen Investmentbank Hornblower Fischer AG. Und weitere zwei Millionen Euro bei Falks Frau.

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Hintergrund: Nach deutschem Recht darf ein Täter aus einer Straftat erlangtes Vermögen nicht behalten. Tut er es doch, ordnet die Justiz häufig sogenannten Wertersatzverfall an, das illegal erworbene Vermögen fließt dann der Staatskasse zu. Doch sahen die Richter im ersten Verfahren gegen Alexander Falk davon ab, weil nicht restlos aufgeklärt werden konnte, ob und in welchem Umfang er sich einen Vermögensvorteil verschafft hat. Die Staatsanwaltschaft, die das so nicht stehen lassen wollte, legte deshalb Revision ein, der Bundesgerichtshof (BGH) wies den Fall darauf nach Hamburg zurück.

Seit gestern ringt Falk dort um die Freigabe seines Vermögens, während die Staatsanwaltschaft die Millionen endgültig für den Staat einziehen lassen will. Doch vielleicht ist die offenkundige Zuversicht des Alexander Falk nicht völlig fehl am Platz: Denn ob Hamburg auch nur einen Cent der "arrestierten" Falk-Millionen erhält, ist völlig unklar.

Zumal die Bundesrichter ihren Hamburger Kollegen enge Grenzen gesetzt haben. Bevor Falks Vermögen zugunsten der Staatskasse abgeschöpft werden könne, so der BGH, seien Ansprüche der geschädigten Energis Plc vorrangig. Deren Anwälte versuchen aktuell in einem ebenfalls in Hamburg ausgetragenen Zivilverfahren an Geld von Falk zu kommen. Am 9. August will das Zivilgericht darüber befinden, ob und in welchem Umfang Energis Plc Regress einfordern kann. Wie weit das zivilrechtliche Verfahren gediehen ist und ob es möglicherweise einen Vergleich gibt, soll bereits am Montag die gerichtliche Vernehmung eines Energis-Rechtsanwalts klären.

Sollten die Ansprüche berechtigt sein, könnte hohe Millionenbeträge von dem eingezogenen Falk-Vermögen für die geschädigte Firma abfallen - entsprechend weniger fiele, wenn überhaupt, der Staatskasse zu. "Die Schadenersatzansprüche im Zivilverfahren", so der Vorsitzende Richter Marc Tully, "könnten die Anordnung von Wertersatzverfall behindern."

Für die Verteidiger von Alexander Falk steht fest, dass der Einzug des Vermögens nicht rechtens wäre. Genauso wenig stünden allerdings der Energis Schadenersatzansprüche zu. "Die Stadt wird diesen Prozess verlieren", sagte Falks Anwalt Thomas Bliwier. Bei dem betrügerischen Ision-Verkauf flossen insgesamt 763 Millionen Euro an die von Falk geführte Muttergesellschaft Alexander Falk Holding, rund 31, 6 Millionen Euro gingen an den Unternehmer persönlich. Allerdings, so die Verteidiger, sei zu berücksichtigen, dass das vorher eingesetzte Kapital vom Verkaufserlös abgezogen werden müsse.

Am liebsten würden Falks Anwälte den Fall wohl den höchsten europäischen Richtern überlassen, sie beantragten, das Landgericht möge die Sache wegen der Unvereinbarkeit des BGH-Beschlusses mit europäischen Rechtsnormen zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) verweisen und die Verhandlung bis zu einer Entscheidung aussetzen. Ein theoretisch denkbarer Verfallsbetrag in Höhe des Ision-Verkaufspreises von 763 Millionen Euro habe jedenfalls "Strafcharakter", so Falks Anwalt Marc Langrock. Bei Annahme des höchsten Tagessatzes entspräche dies einer Haftstrafe von 70 Jahren. "Für einen Vermögenseinzug sehe ich keinen Spielraum."