Der Kiekeberg - der ein ganz klein wenig hinter der südlichen Stadtgrenze liegt - ist vor allem für sein Freilichtmuseum bekannt.

Ehestorf. Doch, auch in Hamburg gibt es Berge. Abendblatt-Autor Josef Nyary stellt sie in loser Folge in der neuen Serie „Ham- burg, deine Berge“ vor. Die Berge wurden aufgetürmt von Eiszeitgletschern – oder auch mal nur von der Müllabfuhr. Was sie alle gemeinsam haben? Sie alle sind einen Spaziergang, einen Ausflug oder sogar eine Wanderung wert.

Im Gasthof Petershöh wird es laut, der Stammtisch in der "Bismarck-Nische" plant Großes zu Ehren des Eisernen Kanzlers: Wie in 200 anderen Landkreisen soll auch in Harburg ein Bismarckturm stehen, aber vom Feinsten. Der preisgekrönte Entwurf "Götterdämmerung" des Düsseldorfer Architekten Professor Wilhelm Kreis mag für 47 andere Standorte gut genug sein, nicht aber für den Kiekeberg. Das Komitee wünscht ein Sondermodell, und der Professor liefert: 23 Meter hoch, Sandstein und Elbklinker, 50 000 Mark. Ende des 19. Jahrhunderts sehr viel Geld.

Es wird der teuerste Bismarckturm Niedersachsens: Gedächtnishalle, Umgang in knapp 13 Metern, eiserne Wendeltreppe zu den Ausguckschlitzen in 20 Meter Höhe. Im Turmkopf eine Feuerschale, Durchmesser 2,5 Meter. Das "Spezialgemisch" aus fünf Kilogramm Pech, fünf Kilogramm Schwefel, zwei Kilogramm Werg und zehn Liter Petroleum brennt 90 Minuten lang.

Der Standort passt: Der Kiekeberg in Ehestorf ist der mit 127 Metern zwar nur vierthöchste, aber am weitesten sichtbare Gipfel der Schwarzen Berge. Der Blick über das Urstromtal der Elbe reicht über 13 Kilometer bis nach Blankenese. Das wussten auch schon andere zu schätzen: Der Geodät und Astronom Heinrich Christian Schumacher teilt das Land zur Vermessung in lauter Dreiecke ein und macht den Kiekeberg zum Messpunkt "Station Vahrendorf".

+++In Blankenese ruft der Berg - zu Tisch+++

Schumacher gründet auch die Sternwarte Altona und entwickelt für die Fahrpläne der Altona-Kieler Eisenbahn eine künstliche mittlere Uhrzeit, ein halbes Jahrhundert vor Einführung der Mitteleuropäischen Zeit. Auf den Spuren dieses heute leider längst vergessenen Genies klettert auch der Generalleutnant a. D. Johann Jacob Baeyer auf den Kiekeberg. Einst Chef der trigonometrischen Abteilung im preußischen Generalstab, will er nun ganz Mitteleuropa in Dreiecke unterteilen.

Der Preuße macht aus der "Station Vahrendorf" den Triangulationspunkt "TP Vahrendorf 4/2525" und verbindet ihn mit Station 1732 der Königlich-Preußischen Landestriangulation auf dem Wilseder Berg - wichtige Grundlage für weit Größeres: Ein Gedenkstein auf dem Kiekeberg trägt die Inschrift "Europäische Gradmessung 1868". Aus Baeyers Ideen wird ein unsichtbares Netz über den Erdteil. Ohne seine Koordinaten gäbe es heute keine Navis.

Der bombastische Bismarckturmmacht den Kiekeberg in der Kaiserzeit zum beliebtesten Ausflugziel in den Harburger Bergen. Aus der Petershöh wird um 1900 das nun schon in dritter Generation geführte Gasthaus zum Kiekeberg. Für Schlachtsuppe, Grünkohl, Kochwurst, Grützwurst, Sauerkraut wirbt dort das schöne alte Motto: "Nich' lang schnacken, Kopf in Nacken und lass sacken!"

Ein paar Meter tiefer zeigt das Freilichtmuseum am Kiekeberg in 30 historischen Gebäuden auf zwölf Hektar Pommersche Gänse und das Landhuhn "Ramelsloher Blaubein" aus mittelalterlicher Klosterzucht. In Stoof Mudders Kroog gibt es Braten vom Bentheimer Buntschwein und in der Museumsbrennerei erstklassigen Korn. Der Bismarckturm aber ist verschwunden: Am 20. April 1945 jagen ihn Wehrmachtspioniere in die Luft, damit die nach Hamburg vorrückenden Engländer dort keine Artilleriebeobachter stationieren können. Die Trümmer landen später geschreddert im Straßenbau.