Hamburg, deine Berge Folge 1: der Süllberg. Seit 1997 liegt dort ein Fünf-Sterne-Hotel, und Karlheinz Hauser lädt zum Gourmet-Gipfel.

Hamburg. Doch - auch in Hamburg gibt es Berge. Abendblatt-Autor Josef Nyary stellt sie in loser Folge in der neuen Serie Hamburg, deine Berge vor. Die Berge wurden aufgetürmt von Eiszeitgletschern oder auch mal nur von der Müllabfuhr. Was sie gemeinsam haben? Sie alle sind einen Spaziergang, einen Ausflug oder sogar eine Wanderung wert.

Hamburgischer geht es kaum: Den Pavillon mit den Türmchen hat ein Zimmermann aus St. Pauli gebaut, der Wirt heißt Peter Hansen; in seiner Milchwirtschaft gibt es auch Wein, Bier, Korn und freien Blick auf die Elbe. Eines ist indes ganz anders als sonst in der Hansestadt: Die Gäste sollten besser nicht zu viel trinken. Denn das Lokal liegt 75 Meter hoch auf dem Süllberg - und die Hänge sind bedenklich steil.

Die Gegend, staunt eine Zeitschrift 1852, "hat einen so vollständigen Gebirgscharakter, dass man es kaum begreift". Doch der klassische Kneipen-Kegel von Blankenese ist längst nicht die einzige eindrucksvolle Erhebung im Stadt- und Weichbild. Mit der Serie "Hamburg in der Höhe" stellt das Hamburger Abendblatt jetzt die interessantesten Berge vor. Aufgetürmt durch Eiszeitgletscher oder auch mal von der Müllabfuhr. Gipfelsturm im Auto, aber oft nur über Stock und Stein. Alle einen Spaziergang, einen Ausflug oder sogar eine kleine Wanderung wert. Mal schweift der Blick weit über Hamburgs Auen, mal sieht man die Stadt vor lauter Bäumen nicht. Sprechende Namen:Opferberg. Falkenberg. Energieberg.

Ob Süllberg oder Müllberg, die Zacken in Hamburgs Krone sind Geografen, Geologen, Geschichtsforschern und Geschäftsleuten Gold wert. Sie liefern Fixpunkte für Karte und Chronik, bergen Spuren längst vergangener Epochen, tragen stolze Denkmäler der neueren Geschichte und schultern auch noch die windigen Wahrzeichen der Energiewende.

Die Propellertürme sind Symbole der Sorge vor weltweiter Wärme, die Berge sind Zeugen der Kälte: Vor 200 000 Jahren schieben die Gletscher der Saale-Eiszeit ungeheure Mengen Sand, Lehm, Kies und Gestein aus Skandinavien nach Süden. Als sie vor 125 000 Jahren schmelzen, bleiben an vorderster Linie hohe Endmoränen zurück. Die Elbe ist zehnmal breiter als heute, riesige Schmelzwasserströme aus Russland waschen ihr Urstromtal aus, und aus den glazialen Geröllhaufen werden mit der Zeit die Blankeneser und Harburger Berge.

"Süll" kommt von "Suhle", die Germanen treiben ihre Schweine zur Mast in die versumpften Buchenwälder an den Hängen. Nach der Christianisierung haust "heidnisches Raubgesindel" im Busch. Deshalb lässt Erzbischof Adalbert um 1060 die Bäume roden und aus dem Holz eine Burg auf den Berg bauen. Doch die gierige Geistlichkeit plündert die Dörfer noch schlimmer aus, bis erboste Bauern sechs Jahre später das Bollwerk niederbrennen und ihre unfrommen Beschützer erschlagen.

1258 fangen Johann I. und Gerhard I. von Schauenburg und Holstein auf dem Süllberg einen Festungsbau an. Er soll den Fährweg über die Elbe sichern. Leider entpuppen sich die gräflichen Brüder als schlechte Nachbarn und rauben Hamburger Kaufleute aus. Prompt besinnt sich der Rat auf ein Privileg aus Zeiten Kaiser Barbarossas: Sie brauchen im Umkreis von zwei Meilen (15 Kilometer) keine Burg zu dulden. Die Ritter müssen nachgeben und reißen das kleine Kastell wieder ab.

Gastwirt Hansen kauft die kahle Kuppe 1837 von dem Dockenhudener Kaufmann Henry Simons für 850 Mark. Das ist ungefähr so viel wie heute 20 000 Euro und ein Bombengeschäft. Statt der Schutz- entsteht eine Schmatzburg mit deftigen Speisen. Schon im ersten Jahr macht der Wirt 4550 Mark Gewinn. Er pflanzt Bäume und baut einen Aussichtsturm aus Stein. Um 1886 weht die Flagge Schleswig-Holsteins in einem Prospekt der Süllberg-Gastronomie über dem "Café-Restaurant - Grosser Concert- und Ballsaal - Aussichtsturm".

Der Kegel ist seit 1865 nicht mehr dänisch, seit 1867 deutsch und seit 1937 hamburgisch. Seit 1997 prangt ein Fünf-Sterne-Hotel auf dem Plateau. Im Gourmet-Restaurant Seven Seas führt Karlheinz Hauser eine "klassisch-französisch geprägte und mit Einflüssen der sieben Weltmeere akzentuierte" Küche. In der Winterzeit schenkt der Sternekoch in einer stilechten Tiroler Almhütte Glühwein aus.

Die modernen GPS-Schnitzeljäger nutzen den Berg längst für ihr elektronisches Geländespiel namens Geocaching: Im April 2006 versteckt ein "Adam Riese" seine blecherne "Schatzkiste" auf 53 Grad 33 539 Min. nördl. Breite und 9 Grad 48 381 Min. östl. Länge, im April 2010 wird sie entdeckt.

Vom Gipfel geht der Blick bis zum Kraftwerk am Tiefstack und zu den Norderelbbrücken, zum Este-Sperrwerk, nach Schweinesand, Neßsand, ins Alte Land und 13 Kilometer südlich zum Harburger Gegenstück des Blankeneser Ausgucks: dem Kiekeberg.