Ein Selbstappell von Peter Wenig

Das Weltbild unseres neunjährigen Sohnes ist, man kann es so sagen, eher überschaubar. Streng genommen dreht es sich um drei zentrale Fragen: Wie spielt der HSV? Wann kann ich raus, um Fußball zu spielen? Was gibt es zu essen?

Unsere zwei Jahre jüngere Tochter macht sich dagegen mehr Gedanken um ihre Zukunft als jeder Unternehmensberater. In Sachen Beziehung ("Ich will einen Piloten, dann kann ich mit meinem Baby ins Cockpit") und Familienplanung ("Ich will zwei Kinder, erst ziehe ich mir den Jungen raus, dann das Mädchen") sind die Weichen bereits gestellt. In unserem Urlaub auf Rügen hat Anna nun auch entschieden, dass sie in der Putbuser Kirche heiraten wird: "Die ist schön. Und Ihr könnt mit dem Zug kommen. Ihr seid ja dann schon alt."

Das tut etwas weh, zumal ich als spätberufener Vater nicht ausschließen kann, dass ich meine Tochter am Rollator zum Traualter werde führen müssen. Andererseits rührt mich ihre Fürsorge, die sogar meinen nach einer Wanderung lädierten Zeh einschließt. "Papa", ermahnte Anna, "da musst du besser aufpassen. Ich will ja, dass du später mal meinen Kinderwagen schiebst." Zu viel Sentiment darf ich indes auch nicht erwarten: "Notfalls gehst du eben auf den Fersen."

In solchen Momenten bin ich ganz froh, dass sich unser Sohn für meine Gesundheit in etwa so interessiert wie für schulisches Basteln - also gar nicht. Er wird ja HSV-Profi. Ich muss also fit bleiben. Für die Besuche in der Arena am Volkspark. Und für die Hochzeit in Putbus. Notfalls wird mich mein Schwiegersohn einfliegen müssen. Er ist ja zum Glück Pilot.