Mehr Wahlfreiheit erschwert Bindungen

Eine israelische Journalistin zeigte sich vor einiger Zeit ganz verwundert über die Einstellung junger Deutscher, die so ganz anders sei als die junger Israelis. Während man bei uns beim Kennenlernen als Erstes frage "Und? Was machst du so beruflich?", laute die erste Frage in Israel: "Und? Hast du schon Kinder?" Dieser subjektive Befund ist bezeichnend - und Symptom der Entwicklung Deutschlands zu einer Single-Republik.

Tatsächlich definiert sich ein Großteil der jungen Deutschen heute in erster Linie nicht über Familie, sondern über den Beruf. Bildung ist wichtiger denn je, das wird auch die Politik nicht müde zu betonen. Wer etwas werden will, hat deshalb ein straffes System zu durchlaufen: Aus dem neunjährigen Gymnasium wurde die Zauberformel G8, statt Diplom und Magister absolviert man auf der Uni in Windeseile den Bachelor, um fit zu werden für den Arbeitsmarkt. Bei alldem geht es um mehr als schnöden Broterwerb. Selbstverwirklichung lautet die Maxime.

Das alles ist nicht schlecht. Im Gegenteil: Im Vergleich zu früheren Generationen sind die Chancen riesig, unzählige Türen scheinen offen. Doch genau das macht die ganze Sache auch so schwer. Mit den Möglichkeiten wächst das gefühlte Risiko von Fehlentscheidungen. Das fängt beim Kauf der richtigen Joghurtsorte an und endet bei der Partnerwahl. Dass heute jeder Fünfte allein lebt, kann deshalb nicht verwundern. Ein falscher Joghurt im Kühlschrank lässt sich verschmerzen - aber was ist, wenn man zu dem maximal selbstverwirklichten Leben den falschen Partner wählt oder eine feste Bindung die Flexibilität einschränkt? Zur perfekt choreografierten Erwerbsbiografie muss der perfekte Partner her, der alldem nicht nur entsprechen, sondern auch das eigene Fortkommen nicht behindern soll. Ganz einfach ist das nicht.

Einige Menschen mögen gut damit leben können. Nicht nur die zahlreicher werdenden Singlebörsen zeigen aber, wie viele auf der Suche nach Mann oder Frau sind. Keine Rose also ohne Dornen. Die Generation der unbegrenzten Möglichkeiten muss erkennen, dass sie beim Zusammenleben an ihre Grenzen stößt.