Eine Glosse von Axel Ritscher

Weinverkäufer sind deutlich redseliger als die kürzlich an dieser Stelle besungenen Hardseller von Softdrinks. Vielleicht löst der Wein die Zunge schon, wenn er noch verkorkst im Regal liegt. Wahrscheinlich aber ist die Wahrheit einfach komplizierter.

Denn im Unterschied zu Wasser oder zuckrigen Durstlöschern ist der Wein etwas Geistiges. Er macht nicht nur dun, sondern auch schlau. Selbst große asketische Philosophen wie Kant haben zugegeben, dass Alkohol den Witz und die Kommunikationsfähigkeit des Menschen steigert.

Der Wein ist schon deshalb vernunftgemäß, weil er Maß hält: Er steht in der intelligenten Mitte zwischen dem Bier, das für eine hinreichende Wirkung in großen Mengen getrunken werden muss, und dem harten Alkohol, der stets hart an der Grenze entlangschrammt und erst viel zu spät am Abend toleriert wird. Und während das Bier immer wieder zur Schüssel drängt und damit den Kommunikationsfluss hemmt, macht das Hochprozentige eine nachhaltig tiefe, süffig-rauchige Stimme, die zumindest vormittags jenseits allen Maßes ist. Der listige Wein hingegen hinterlässt allenfalls rote Nasen, was, noch dazu im Sommer, leicht auf die Einwirkung der Sonne geschoben werden kann.

Dies alles muss der Weinverkäufer wägen und darf es doch nie aussprechen. Der Wein- ist kein Wirkungstrinker. Die direkte Ansprache würde ihn verschrecken. Zu viel Säure provoziert fruchtlose Abgänge. Der Weinkunde will umworben werden von zarten Tanninen, frischer Leichtigkeit und der finessenreichen Ausgewogenheit großer Barriques. Denn Kulturmenschen brauchen breite Brücken, um zu schlichter Sinnlichkeit zu finden. Und sie wollen keinesfalls bemerken, dass sie bloß über Brücken latschen. Sie möchten bis zuletzt auf den Pfaden der Vernunft wandeln, eisern und doch bequem sitzend, bis die einsetzende Artikulationsschwäche sie zum Unsagbaren vorstoßen lässt.