Jeder vierte Arbeitslose in Hamburg ist älter als 50 Jahre. Gerade in Hamburg haben es ältere Arbeitssuchende besonders schwer.

Hamburg. Er hat immer mit angepackt, wenn Hände zum Arbeiten gebraucht wurden. Marko Kneisel, gelernter Maler und Lackierer, kommt auf insgesamt neun Jahre Erfahrung in Handwerksbetrieben und anschließend 21 Jahre in der chemischen Industrie. Als Betriebshandwerker in der Instandhaltung half er auch, wenn Schlosser- oder Elektroarbeiten anfielen. Dennoch musste er im Herbst 2010 gehen, weil die Belegschaft in dem Hamburger Werk zusammengestrichen wurde. Seitdem ist der Handwerker auf der Suche nach einem neuen Job.

Kneisel hat nach seiner Entlassung in einer Transfergesellschaft den Führerschein für Gabelstapler gemacht und dort auch einen EDV-Kursus absolviert. Genutzt hat es ihm nichts. "Ich habe bis heute rund 90 Bewerbungen geschrieben, E-Mails verschickt, mich direkt bei Hotels, der Hamburger Stadtreinigung oder bei Wohnungsgesellschaften beworben und mich um Praktika bemüht", sagt er. Der Erfolg blieb aus. Langsam jedoch glaubt der 51-Jährige den Grund dafür zu kennen: "Inzwischen gehe ich davon aus, dass mein Alter entscheidend ist."

Gerade in Hamburg liegt Kneisel mit dieser Einschätzung nicht falsch. Denn die Hansestadt steht bei den Menschen ab 50 Jahren mit einer Arbeitslosenquote von 8,1 Prozent bundesweit schlecht da. Nur Bremen und Nordrhein-Westfalen schneiden unter allen westdeutschen Ländern noch negativer ab, wie aus Zahlen der Arbeitsagentur hervorgeht, die dem Abendblatt vorliegen. Danach kommt Bayern auf 4,5 Prozent, Niedersachsen auf 6,7 und Schleswig-Holstein auf 7,0 Prozent. Der bundesweite Durchschnitt bei der Altersgruppe liegt bei 7,4 Prozent.

Ältere Bewerber müssen zudem deutlich länger warten, bis sich ein Arbeitgeber für sie entscheidet. Kommen an der Elbe Erwerbslose nach durchschnittlich 222 Tagen wieder in Arbeit, dauert es bei den älteren mit 311 Tagen gut drei Monate länger. "Gerade um diese Menschen mit ihrer Lebens- und Berufserfahrung", appelliert der Chef der Hamburger Arbeitsagentur Sönke Fock, "sollten sich aber Firmen bemühen, die über den Fachkräftemangel klagen. Denn fachliches Know-how ist bei ihnen überproportional vorhanden."

Doch an solchen Bemühungen von Firmen mangelt es offensichtlich an der Elbe. So waren im Juni fast 9000 Menschen über 50 mit Berufausbildung oder einem abgeschlossenen Studium bei der Agentur arbeitslos gemeldet. Das waren knapp 1200 mehr als im Sommer 2009, zu einem Zeitpunkt mitten in der Krise. "Seit Monaten liegt auch die Gesamtzahl überproportional hoch", klagt Fock. In keinem Monat in diesem Jahr sank sie unter 18 000. Derzeit ist mehr als jeder vierte Arbeitslose in Hamburg älter als 50 Jahre.

Das müsste nach Auffassung des Arbeitsagenturchefs aber nicht so sein. "Personalchefs sollten sich bei den erfahrenen Bewerbern Zeit für ein persönliches Gespräch nehmen", empfiehlt Fock. Eine solche Erfahrung hat Kneisel bisher jedoch noch nicht gemacht. "Bewerbungen wurden entweder gar nicht beantwortet oder blieben lange liegen", sagt er. Vor allem bei größeren Firmen war es für ihn fast unmöglich, "einmal bis in die Personalabteilungen vorzudringen". Angebote zur Einstellung lagen dann oftmals bei 1000 Euro netto im Monat. Zuvor hatte der ledige Handwerker jedoch bis zu 800 Euro mehr verdient.

Dabei bietet die Arbeitsagentur Firmen gleich mehrere Möglichkeiten, den Einstieg von älteren Arbeitslosen finanziell zu erleichtern. Dazu gehört eine Erprobung im Betrieb, bei der bis zu sechs Wochen das Arbeitslosengeld als Lohn weitergezahlt wird. So kann der jeweilige Bewerber zunächst ohne zusätzliche Lohnkosten eingearbeitet werden. Für ein Jahr kann die Agentur zudem je nach Einzelfall bis zu 50 Prozent des Arbeitsentgelts als Eingliederungszuschuss für einen älteren Mitarbeiter übernehmen.

Bei der Baumarktkette Max Bahr wartet man jedoch nicht auf solche Hilfen. Vielmehr wird bei Bewerbungen nicht nach dem Alter unterschieden. Mitarbeiter über 50 sind in dem Unternehmen gesucht. "Wir haben immer Bedarf an solchen erfahrenen Kollegen", sagte Sprecherin Simone Naujoks. Ein Beispiel dafür sind die Studios, in denen sich Kunden neue Badezimmer komplett einrichten lassen können. "Hier suchen wir allein für Hamburg fünf Spezialisten vor allem aus dem Handwerk", sagt Naujoks. Das könnten gern auch ältere Bewerber sein. Denn solche Mitarbeiter träten mit ihrer Erfahrung souverän auf. Zudem wollten viele Kunden von ihnen bedient werden. Insgesamt sucht Max Bahr derzeit in Hamburg 15 neue Mitarbeiter. Naujoks: "Auch hier dürfen alle älter als 50 Jahre sein."

Marko Kneisel wartet derweil weiter auf seine neue Chance. "Ich hoffe auf einen Job, bei dem ein Lohn gezahlt wird, von dem ich auch leben kann", sagt er. Das hat er mehr als 30 Jahre lang geschafft und Kneisel will die Hoffnung auf einen Neuanfang nicht aufgeben. Spätestens bis zum März 2013 soll es mit einer festen Anstellung klappen - dann läuft sein Arbeitslosengeld aus.