Ein Kommentar von Kai Schiller

Es ist geschafft, sagen die einen. Schon vorbei, fragen die anderen. Nach 24 Tagen Europameisterschaft fällt ein grundsätzliches Fazit über die EM in Polen und der Ukraine schwer. Fußballerisch war es nicht das beste Turnier aller Zeiten, aber auch nicht das schlechteste. In Erinnerung wird das Vorrundenspiel zwischen den späteren Finalisten, zwischen Spanien und Italien, bleiben. Auch die Partie England gegen Schweden hat begeistert. Die Niederlande, Russland und Frankreich sind grandios gescheitert, auch die Gastgeber haben enttäuscht. Italien und Portugal haben beeindruckt, Deutschland zumindest emotionalisiert. Überrascht hat die Erkenntnis, dass man auch ohne Stürmer ins Endspiel einziehen kann.

Bei dieser EM, das war schon weit vor dem ersten Anpfiff klar, ging es aber längst nicht nur um Fußball. Die Frage, ob man ein Turnier in einem Land mit diktatorischen Zügen wie der Ukraine austragen kann, dürfte auch nach 31 Spielen nicht einstimmig beantwortet sein. Abzuwarten bleibt, was aus Julia Timoschenko wird, sobald der Medienzirkus weiter zu Olympia nach London zieht. Immerhin wurde Angela Merkel die Gewissensfrage erspart, ob sie beim Finale auf der Ehrentribüne in unmittelbarer Nähe von Präsident Wiktor Janukowitsch Platz nehmen müsse. Musste sie nicht, Jogi Löw sei Dank.

Organisatorisch, das werden Optimisten behaupten, sei am Ende doch alles gut gegangen. Pessimisten werden erwidern, dass nahezu alle Infrastrukturmaßnahmen nicht rechtzeitig fertig wurden. Unstrittig ist, dass es die Fans besonders in der Ukraine nicht immer einfach hatten.

Die Stimmung in Polen war grandios - solange die Polen im Turnier waren. Merklich ruhiger wurde es aber, als sowohl die Gastgeber als auch die trink- und singfreudigen Iren ausgeschieden waren.

Einigen kann man sich also darauf, dass die EM allen Bedenken im Voraus zum Trotz in einigen Bereichen meisterlich, insgesamt aber nie weltmeisterlich war. Allen, die traurig sind, dass das Fußballspektakel vorbei ist, sei gesagt: heute ist HSV-Trainingsauftakt, in 54 Tagen startet die Bundesliga und in 710 Tagen die WM.