Der Verkauf von Blohm + Voss an einen britischen Finanzinvestor wirft Fragen auf

In der traditionsreichen Geschichte der Hamburger Werft Blohm + Voss wird in den kommenden Jahren ein komplett neues Kapitel geschrieben. Fast 135 Jahre nach seiner Gründung wird der Schiffbaubetrieb britisch. Ob das neue Kapitel nur eines von vielen spannenden, ein besonders erfolgreiches oder womöglich das letzte sein wird, kann heute niemand ernsthaft voraussagen. Dafür gibt es mit Blick auf die Zukunft der Werft zu viele Fragezeichen.

Wann endlich kommen die schon lange von der Geschäftsführung anvisierten Aufträge? Was genau hat der neue Eigentümer mit dem Schiffbauer vor? Geht es den künftigen Besitzern aus London nur um den kurzfristigen Profit oder haben sie eine zumindest mittelfristige Strategie in der Schublade? Vor allem die Antwort auf diese Fragen wird für die knapp 1500 Beschäftigten, die ihren Arbeitgeber wechseln, von entscheidender Bedeutung sein. Werden sie zum Spielball ausschließlich profitgesteuerter Interessen? Oder bietet Star Capital Partners am Ende ein industriepolitisches Konzept an, das erfolgreich verwirklicht wird? Hoffentlich!

Der Verkauf an einen Finanzinvestor, der bisher keinerlei Erfahrung im Schiffbau gesammelt hat, hinterlässt ein eher mulmiges Bauchgefühl. Auf ihrer Internetseite berichten die Briten von ihren finanziellen Engagements hierzulande in Mülldeponien und Seniorenresidenzen. Da hatte der Name des bisherigen Eigentümers und Stahlgiganten ThyssenKrupp doch einen vertrauensvolleren Klang. Und eine Arbeitsplatzgarantie - wie von einigen Medien vorab berichtet - wird es auch nicht geben. Die Jobs bei Blohm + Voss bleiben also unsicher. Zudem halten sich die Briten mit Details zu ihrem Engagement auffallend zurück. Weder den Kaufpreis noch eine genaue Investitionssumme oder gar konkrete Zukunftspläne nennt die Zentrale am Cavendish Square in London.

Auch sollte niemand vergessen: Finanzinvestoren denken nur äußerst selten langfristig, wollen nach spätestens vier, fünf Jahren wieder verkaufen - und zwar mit einem möglichst hohen Gewinn. Zumindest die aktuelle Geschäftsführung bei Blohm + Voss haben die Briten an Bord gelassen, was als Zeichen der Kontinuität gewertet werden darf.

Genau auf diese Manager dürfte es in den kommenden Jahren ankommen. Sie sind gefordert, müssen endlich neue Aufträge hereinholen. Denn mit Beinahe-Orders und Absichtserklärungen, über die seit Jahren geredet wird, lässt sich kein Geld verdienen. Blohm + Voss hat gut ausgebildete, hoch motivierte Beschäftigte, das Management ist nun dafür verantwortlich, ihnen und ihren Familien Lohn und Brot zu geben - langfristig.

Es hätte eine Alternative zum Finanzinvestor aus Großbritannien gegeben. Denn auch die hoch profitable Bremer Werft Lürssen hatte ein Auge auf den Hamburger Partner geworfen. Doch aus nebulösen Gründen hat die Geschäftsführung diese Offerte ohne nähere Prüfung brüsk abgelehnt. Dabei hatten viele Branchenkenner die Fusion der beiden deutschen Schiffbauer als richtige Antwort auf den starken internationalen Konkurrenzkampf gewertet.

Lürssen war gestern. ThyssenKrupp ist heute. Star Capital Partners wird morgen sein. Die Zukunft der Hamburger Traditionswerft wird künftig von London aus entschieden. Die operative Verantwortung in Hamburg tragen die Manager von heute auch morgen. Auf sie wartet eine Herkulesaufgabe, um die sie in der Schiffbaubranche kaum jemand beneiden dürfte. Sie wollten das Ruder alleine herumreißen, ohne einen industriellen Partner, sondern mit einem kurzatmigen Investor im Rücken. Die Zeit läuft. Als Hamburger kann man der Führung für ihren schwierigen Weg nicht nur Glück und Erfolg wünschen. Man muss es sogar.