Eine Glosse von Matthias Popien

Exakt in Reih und Glied stehen sie, gar nicht so, als ob sie gestern gesumpft hätten. Dennoch sind es Sumpf-Eichen, die jetzt das Areal zwischen dem Horner Kreisel und den beiden Fahrbahnen der A24 bevölkern. Warum eigentlich werden auf einer derart vom Verkehr umtosten, für Fußgänger unerreichbaren Insel Bäume gepflanzt?

Nein, mit der Umwelthauptstadt Hamburg hat es nichts zu tun. Die 54 Sumpf-Eichen sind eine sogenannte "Ausgleichsmaßnahme". Entlang der Autobahn zwischen dem Kreisel und Jenfeld sind Bäume gefällt worden, um Platz für die Lärmschutzwand zu schaffen. Der Ersatz dafür heißt im Bürokratendeutsch wie oben erwähnt. Ein hässliches Wort für einen Wald. Aber gerade die Sumpf-Eiche weiß, was es bedeutet, einen hässlichen Namen zu tragen. Denn sie hat einstmals das ästhetische Empfinden des Bundeskanzlers Helmut Kohl verletzt.

Eichen dieser Sorte wurden nach der Wende zwischen dem neuen Berliner Kanzleramt und dem Reichstag gepflanzt. Schöne Bäume, gewiss. Fachleute loben den "architektonischen Reiz der weit ausgreifenden Äste". Kohl aber kritisierte den Namen, namentlich den Namensbestandteil "Sumpf". Etwas sehr weit ausgreifend sei der, fand er. Könnte er nicht zu unerfreulichen Anspielungen auf politische Prozesse genutzt werden? Auf Schlagzeilen über den "Berliner Sumpf" hatte der Kanzler nun wirklich keine Lust. Deshalb wurde die politische Wende ganz nebenbei auch zu einer Wort-Wende. Die Eichen verloren ihren Sumpf. Sie gewannen ein Flüsschen, das das Regierungsgelände entwässert, und hießen fortan "Spree-Eichen".

Womit sie allerdings noch lange nicht zur "Berliner Pflanze" geworden sind. Das werden sie jetzt am Horner Kreisel zeigen. Dort dürfen sie wieder Sumpf-Eiche heißen - quasi als Ausgleichsmaßnahme für die kohlsche Spree-Aktion.