Der Polizeibeamte Thomas Möller ermittelt bei Straftaten im Universitätsklinikum Eppendorf. Seine Fälle sind in erster Linie Diebstähle.

Eppendorf. Thomas Möller ist kerngesund. In Krankenhäuser geht er nicht gerne. Doch der 53-Jährige ist mindestens einmal, manchmal auch dreimal die Woche im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Rein beruflich. Seit zwei Jahren deckt der Oberkommissar, der von Kollegen nur Max genannt wird, Kriminalfälle in der Klinik auf - er ist der "UKE-Ermittler". Seine Fälle sind in erster Linie Diebstähle. Meistens kleine Geldbeträge, die einige Patienten sorglos in ihren Zimmern liegen lassen, aber auch Flachbildschirme, Schmuck und Laptops.

Dass es sich fast immer um die kleine Art des Diebstahls - wie etwa die entwendete Geldbörse - handelt, spielt für Möller keine Rolle. "Es ist egal, ob es um zehn oder 10 000 Euro geht, die gestohlen wurden - der Tatbestand ist derselbe." Und wenn er sagt, dass für ihn jeder Fall eine Herzensangelegenheit sei, klingt das nicht abgedroschen, sondern ehrlich. "Mir ist es wichtig, den Opfern das Gefühl zu geben, dass ich mich ernsthaft um ihren Fall kümmere."

Wie zum Beispiel um den verschwundenen Ehering einer alten Dame. "Die Frau war sich sicher, dass der goldene Ring mit dem eingravierten Hochzeitsdatum im UKE abhanden gekommen war", erinnert sich Möller, der seit mehr als 37 Jahren bei der Hamburger Polizei arbeitet. Die Rentnerin sei verzweifelt gewesen. "Der Ring war ihr wertvollster Besitz." Eine kostbare Erinnerung an ihren verstorbenen Mann. Trotz intensiver Recherche auf der Station konnte Möller das Schmuckstück nicht aufspüren, aber er hatte den richtigen Riecher. "Ich habe von Anfang an vermutet, dass die Dame den Ring zu Hause verlegt hat." Wochen später habe ihn die Tochter der Frau erneut angerufen. "Sie berichtete, dass der Ring in einer Schublade aufgetaucht sei." Ein glückliches Ende, über das sich auch der Polizeibeamte gefreut hat.

Dass er Straftaten erforscht, ist Möllers Auftrag. Dabei auch Mitgefühl zu zeigen, mal länger als nötig am Krankenbett eines Diebstahlopfers zu sitzen, nach dem Befinden zu fragen - das ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. "Diese Patienten sind schließlich doppelt geschädigt", sagt er. "Gerade die älteren Menschen freuen sich, wenn ich mir eine Minute länger Zeit nehme und mich mit ihnen unterhalte." Sie vertrauen sich dem Beamten an, erzählen Geschichten aus ihrem Leben, die sie nur mit wenigen Menschen teilen. "Weil sie wissen, dass alles, was sie berichten, bei mir sicher ist", sagt Möller.

Nicht nur die Patienten, auch die Mitarbeiter des hauseigenen Wach- und Sicherheitsdienstes, mit denen Möller eng zusammenarbeitet, schätzen den Mann mit dem Schnauzbart. Wenn der Sicherheitschef Horst Schmeltzle über den 53-Jährigen spricht, fallen Wörter wie engagiert, routiniert und sorgfältig. "Herr Möller arbeitet die Fälle nicht ab, er kümmert sich", sagt Schmeltzle. Es sei sehr wertvoll für die Klinik, den erfahrenen Oberkommissar als festen Ansprechpartner bei der Polizei zu haben.

Sobald etwas passiert, wird der Polizeibeamte verständigt. Dann kommt Möller samt schwarzem Aktenkoffer, den er vor 30 Jahren von seiner Frau geschenkt bekommen hat, und legt los. Er spricht mit dem Opfer, forscht auf den Stationen der Klinik, befragt Schwestern, Ärzte und andere mögliche Zeugen und fordert gegebenenfalls die Spurensicherung an.

Obwohl Thomas Möller privat am liebsten einen großen Bogen um Krankenhäuser macht, seine Arbeit im UKE bereitet ihm Freude. "Das UKE ist eine kleine Stadt für sich. Hier gibt es alles. Cafés, Sparkasse, Post, Friseur, Kiosk und viele Menschen." Mit 8900 Mitarbeitern ist es das größte Krankenhaus in Hamburg. 76 000 Menschen werden jährlich stationär aufgenommen, dazu kommen noch 257 000 ambulante Patienten. Und wie jede Kleinstadt ist auch das UKE kein kriminalitätsfreier Ort. Mit Schwerverbrechern hat es Möller in der Klinik nicht zu tun. Und das findet der Vater zweier Kinder und Großvater von vier Enkeln auch gut so. "Es menschelt mehr im Bereich der Kleinkriminalität. Es ist nicht so brutal."

Besonders reize ihn, die Aufklärungsquote im UKE zu steigern. Denn diese sei relativ niedrig. "Wie bei allen Diebstahlsdelikten fehlen oft Ermittlungsansätze. Aber wenn es eine Spur gibt, knie ich mich rein", sagt Thomas Möller. Mit Erfolg. Wie beispielsweise im Juni dieses Jahres, als einem 71-jährigen Patienten ein Brillenetui mit 26 000 Euro gestohlen wurde. Mit kriminalistischem Spürsinn machte er den Dieb ausfindig, der die Beute in seinem Krankenzimmer versteckt hatte.