Elbphilharmonie-Architekt Pierre de Meuron und Hochtief-Chef Thomas Möller sind Gegner statt Partner. Das kann nicht so bleiben

Es ist kurz vor 17 Uhr, als Pierre de Meuron plötzlich im Scheinwerferlicht steht. Kameras gehen an, Mikrofone werden in Stellung gebracht. Der weltweit tätige Architekt aus der Schweiz muss im Saal 151 des Hamburger Rathauses als Zeuge vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussagen. Es ist Donnerstag, tags zuvor war Buß- und Bettag.

Dr. Thomas Möller hat diese Marathonsitzung bereits hinter sich. Auch der Chef der Hamburger Hochtief-Niederlassung musste den Bürgerschaftsabgeordneten vor knapp drei Wochen stundenlang Rede und Antwort stehen. Und wurde am Anfang der Befragung deutlich darauf hingewiesen, dass eine Falschaussage empfindliche strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht.

"Das ist schon ein komisches Gefühl, wenn man da auf dem Stuhl sitzt", sagte Möller hinterher. "So etwas habe ich in meiner beruflichen Karriere noch nie erlebt", sagt de Meuron.

Sie waren bei der Grundsteinlegung der Elbphilharmonie im April 2007 gemeinsam angetreten, um Großartiges zu schaffen. Sie leiten die beiden Unternehmen, die zusammen ein Jahrhundertbauwerk an die Elbe stellen sollen. Sie müssten Partner sein - und sind mittlerweile erbitterte Gegner. Wenn sie weiter auf ihren Positionen beharren, wird die Stadt noch sehr lange auf die Fertigstellung des Konzerthauses warten müssen. Philharmonie? Von wegen. Der Streit wird immer heftiger. Der Bau steht ziemlich still.

Natürlich kann man einwenden, dass Konflikte programmiert sind, wenn zwei wie Meuron, 61, und Möller, 46, aufeinandertreffen. Der eine Architekt, der andere Bauingenieur. Gestalter gegen Statiker. Kühner Erfinder hier, zäher Rechner dort. Der eine ist der eigenen Ästhetik verpflichtet, der andere den eigenen Aktionären. Kunst kontra Kosten. Da kann es schon mal krachen.

In Hamburg jedoch übertönt das Getöse der gegenseitigen Vorwürfe den Baulärm an der Elbe bei Weitem. Man mag es kaum noch wiederholen, aber so lässt es sich zusammenfassen. Pierre de Meuron bezeichnet die Arbeit von Hochtief als mangelhaft, unvollständig, unpünktlich: "Wir bauen und planen in China und Russland, aber so etwas wie hier in Hamburg habe ich noch nirgendwo erlebt." Die Vorwürfe von Thomas Möller, der mit Hochtief in Hamburg sehr geräuschlos Projekte wie den UKE-Neubau, die Europa-Passage oder die AEZ-Erweiterung zur Zufriedenheit aller realisiert hat, lassen sich in der Aufforderung an den Generalplaner bündeln: "Legt uns bitte rechtzeitig die Pläne vor. Und zwar Pläne, nach denen man auch bauen kann!"

Erst bei genauerem Hinsehen erkennt man, wie so oft, auch Gemeinsamkeiten. Pierre de Meuron, befragt nach seiner Schmerzgrenze, erzählte im Rathaus sehr unterhaltsam die Geschichte von dem US-Thriller "No Country for Old Men", in dem der böse Killer völlig schmerzfrei jeden Angriff abwehrt. "Ich bin kein Hero", sagte de Meuron, "aber ich stehe zu meiner Überzeugung - auch wenn es wehtut."

Thomas Möller ist in St. Peter-Ording als ältestes von vier Geschwistern aufgewachsen, sein Vater hatte ein kleines Bauunternehmen. Möller, der seit 1999 mit seiner Frau und den zwei Söhnen in Hamburg wohnt, war zehn Jahre bei der Bundeswehr, brachte es bis zum Hauptmann und ist so leicht nicht aus dem Konzept zu bringen.

Möller und de Meuron sind beide freundliche und kompetente Gesprächspartner. Beide wollen dieses Projekt um alles in der Welt erfolgreich zu Ende bringen. Und beide wissen, dass es zwar um viele Millionen Euro, aber inzwischen längst auch um das Image ihres Unternehmens geht.

Sie sind sich während der vergangenen fünf Jahre nur ein Dutzend Mal begegnet, haben sich kurz die Hände geschüttelt, mehr war da nicht. Würden Sie sich mit Ihrem Gegenspieler auf ein Bierchen treffen? "Sehr gerne", sagt Thomas Möller, "ich trinke nämlich gerne Bier." "Warum eigentlich nicht", sagt Pierre de Meuron. Er ist erschöpft nach der Befragung. Sie hat fast sieben Stunden gedauert. Als er das Rathaus verlässt, ist es fünf vor zwölf.