Die “Kneipe“ in Langenhorn ist ein Treffpunkt der Mächtigen und Macher. Illustre Runde versammelt sich bis heute. Wegbegleiter erinnern sich.

Hamburg. Es existiert eine "Lex Langenhorn", ein ungeschriebenes Gesetz: Vertrauliche Worte, die im Hause Schmidt gewechselt werden, bleiben hinter verschlossenen Türen. Dieses Prinzip wahrhaftiger Verschwiegenheit wurde nie gebrochen - weder von den Staatsgästen zur Kanzlerzeit des Hausherrn noch von den Mitgliedern der berühmten "Freitagsgesellschaft". Bis zum heutigen Tage, also über den Tod Loki Schmidts hinaus, versammelt sich diese illustre Runde regelmäßig, um die großen, aber auch kleinen Themen der Welt zu debattieren.

Zu den Persönlichkeiten der ersten Stunde zählen neben den Christdemokraten Volker Rühe und Martin Willich auch der ehemalige Handelskammer-Präses Klaus Asche, Siegfried Lenz, Henning Voscherau, der Bankier Max Warburg und der Mediziner Professor Heiner Greten. 1985 etabliert, entwickelt sich diese aus gut einem Dutzend Köpfen bestehende Runde zu einem hochkarätigen Gesprächskreis, dessen Ablauf diskret behandelt und nach festem Ritual zelebriert wird. Bisher hat der exklusive Zirkel mehr als 150-mal am Neubergerweg getagt.

An sechs Abenden im Winterhalbjahr, stets der zweite Freitag im Monat, also zuletzt genau vor einer Woche, wird die Hautür für Freunde geöffnet. "Unter dem Strich hatte Helmut diese Idee als Instrument erdacht, um schlauer zu werden", weiß der frühere Bürgermeister Peter Schulz als Mitbegründer des exklusiven Zirkels.

+++ Wegbegleiter erinnern sich +++

Das Ritual: Gegen 20 Uhr versammelt sich der Kreis an der "Kneipe" genannten Hausbar zum Warmwerden. Gegen 20.30 Uhr wird eine kleine Glocke geläutet - dies wurde früher von Loki erledigt. Im Esszimmer wird Hausmannskost serviert, zum Beispiel Grünkohl und/oder Bratkartoffeln, Rinderbraten, Karbonade. Anschließend, meist gegen 21.45 Uhr, wird das gut halbstündige Referat gehalten, an das sich traditionell eine lebhafte Debatte anschließt. Ein sogenannter "Notar" übernimmt den Vorsitz. Eine feste Sitzordnung gibt es nicht.

Die Themenpalette ist ebenso breit wie das Interessengebiet des Hausherrn. Ob Weihbischof Jaschke über die "Keuschheit der Engel" referiert oder Ex-Bundespräsident Horst Köhler über "Die Lage der Weltwirtschaft" sinniert, stets ist Helmut Schmidt mit größter Aufmerksamkeit dabei, wie nicht nur Professor Heiner Greten aus eigener Erfahrung weiß. Der renommierte Internist, der heute im Krankenhaus St. Georg wirkt, lernte Helmut Schmidt Mitte der 80er-Jahre im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) kennen, in dem Greten Direktor war. Er ist heute Leibarzt und Freund.

Viele Mitglieder dieser ehrenwerten "Freitagsgesellschaft", der man nicht beitreten kann, sondern zu der man gerufen wird, haben am Abendblatt-Buch "Ein Leben" mitgewirkt. Auch alle noch lebenden Bürgermeister der Hansestadt und weltbekannte Politiker a. D. aus dem Ausland wie Valéry Giscard d'Estaing und Henry Kissinger kommen zu Wort. Außerdem sind eine frühere Lehrerkollegin Lokis sowie Begleiter ihrer Expeditionen exklusiv dabei. Abgerundet wird die namhafte Gilde kompetenter Zeitzeugen durch TV-Moderator Reinhold Beckmann, einen Vertrauten der Familie, und zwei Gentlemen von der "Zeit": Chefredakteur Giovanni di Lorenzo sowie einer seiner Vorgänger, Theo Sommer.

Jeder legt in informativer Art und auf seine Weise Zeugnis ab vom Leben und Wirken einer faszinierenden Persönlichkeit, die nicht nur deutsche Geschichte schrieb. Schmidt schreibt emsig weiter, nicht nur Bücher. Fast könnte man behaupten: je oller, desto toller. Denn aktuell ist Helmut Schmidt auf bestem Wege, mit dem Hamburger Peer Steinbrück "seinen" Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2013 in Position zu bringen. Zug um Zug.

Und was sagt die Hauptperson dazu? Schmidt schweigt und lässt andere über ihn sprechen. So wie den langjährigen Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Dieser gibt preis: "Anlässlich einer Veranstaltung mit vielen Rednern fragte ich Helmut Schmidt, ob ihn der zunehmende Verlust der Hörfähigkeit nicht stören würde. Er meinte, dass sich das Zuhören ohnehin nicht lohne. Kein Problem also. Anstrengender sei es vielmehr, immer ein interessiertes Gesicht zu machen - obwohl er gar nicht wisse, was gerade gesprochen werde."

Lesen Sie morgen: Teil 7 - "Werdet ihr erst mal 93" : Ein exklusiver Hausbesuch bei Helmut Schmidt am Neubergerweg. Der Altkanzler zeigt kurz vor seinem 93. Geburtstag, wie er heute wohnt.