Im Streit um die Elbphilharmonie ist keine Lösung in Sicht. Der Bürgermeister muss handeln

Die Geschichte klingt erst einmal banal, aber sie dokumentiert ungemein anschaulich das Verhältnis der beiden Parteien, die einst angetreten waren, zusammen etwas Einzigartiges auf einem alten Kaispeicher an der Elbe zu errichten. Und die nun leider die meiste Zeit und Energie darauf verwenden, dem anderen seine Fehler nachzuweisen.

Gemeinsam wollten die Stadt als Bauherr und der Konzern Hochtief Hamburg mit einem einzigartigen Konzerthaus ein neues Wahrzeichen am Wasser bauen. Mittlerweile überlagert die Zahl der Anzeigen von Mängeln und Bedenken die Zahl der Baufortschritte sehr eindeutig. 9500 Mängel, verursacht durch das Bauunternehmen, haben die Objektüberwacher bisher ausgemacht. Das klingt astronomisch. Und als diese Zahl vor ein paar Tagen vom Senat veröffentlicht wurde, war die Aufregung groß. Prompt konterte das Unternehmen und lieferte eine recht simple Erklärung für die Größenordnung. Wenn Hochtief beispielsweise Dübel in korrekter Größe bei einem anderen Hersteller als im Leistungsvertrag vorgegeben bestellt, werde auch das als Ausführungsmangel gemeldet. Dabei bedeute dies aber nicht etwa einen Mangel, den man dann als "Dübel vom falschen Hersteller" bezeichnen könnte. Nein, jeder einzelne Dübel werde als Mangel deklariert.

Wie gesagt, eine recht banale und fast schon niedliche Geschichte, bedenkt man, wie heftig die Auseinandersetzungen auf Hamburgs spektakulärster Baustelle mittlerweile sind. Hochtief wird außerdem, um das ramponierte Image wiederherzustellen, nicht müde, eine Beispielrechnung ins Feld zu führen. Auf die Geschossfläche der gesamten Elbphilharmonie umgerechnet bedeute die Zahl von 9500 Mängeln lediglich einen auf 12,5 Quadratmeter. Bei einem durchschnittlichen Einfamilienhaus mit einer Fläche von 150 Quadratmeter würden das in dem jetzigen Bauzustand zwölf Mängel bedeuten.

Die Lage aber ist wesentlich ernster, als es diese Zahlen vermuten lassen. In entscheidenden Bereichen des Jahrhundertbauwerks wird quasi nicht mehr gearbeitet. Oder nur noch eingeschränkt. Oder die Arbeiten haben noch gar nicht begonnen, weil sich die Beteiligten nicht über die Ausführung einigen können. Von ganz unten, also der historischen Bestandsfassade des Kaispeichers, bis ganz oben, zur hochkomplexen Statik des Dachs vom Großen Konzertsaal, ziehen sich die Streitereien. Mit gegenseitigen Gutachten und gerichtlichen Auseinandersetzungen, mit immer neuen Vorwürfen und Androhungen. Die Probleme sind teilweise so sehr eskaliert, dass schon lange nicht mehr in Lösungen gedacht wird.

Die forsche Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) hat dieses Thema geerbt und, wie viele im Umfeld der Elbphilharmonie bestätigen, bisher auch einen guten Job in einer äußerst schwierigen Gemengelage aus Kostenkontrolle und Weltarchitektur, Zukunftsmusik und Funktionalität gemacht. Doch auch sie konnte nicht verhindern, dass sich das Verhältnis zwischen der Stadt und dem Essener Baukonzern in den vergangenen Monaten extrem verschlechtert hat. Dass kaum noch miteinander geredet wird und jeder nur noch mit dem Finger auf den anderen zeigt. Dass jeder Schritt argwöhnisch belauert wird. Und dass ein Eröffnungstermin in weite Ferne gerückt ist.

Am schlimmsten ist jedoch, dass das gegenseitige Vertrauen völlig abhandengekommen ist. Und das in einer Bauphase, die höchste Konzentration erfordert, weil weltweit Einmaliges entstehen soll.

Wann also, wenn nicht jetzt. Es wird Zeit, dass Hamburgs Bürgermeister die Elbphilharmonie zur Chefsache macht. Dass er die Streithähne an einen Tisch beordert und ihnen klarmacht, was hier auf dem Spiel steht. Und zwar für jeden.