Eine Glosse von Lars Haider

Unser Sohn hat den ersten Brief seines Lebens erhalten. Abgefasst 16 Tage nach seiner Geburt, adressiert an ihn höchstpersönlich. Wie aufmerksam! Zumal der Absender nicht ein naher Verwandter, sondern das Bundeszentralamt für Steuern ist. Da soll noch einer sagen, dass die Behörden in Deutschland langsam arbeiten ...

Gut, etwas enttäuscht waren wir schon, dass das Kuvert nur einen Formbrief mit der unpersönlichen Anrede "Sehr geehrter Herr" enthielt. Dafür hat unser Sohn jetzt endlich eine persönliche Identifikationsnummer. Nun sind seine Einkünfte derzeit noch überschaubar (der Antrag auf Kindergeld wurde noch nicht bearbeitet), und wir Eltern rätseln zudem, wie wir ihm den Sinn der Anlage N bei der Steuerklärung verständlich machen sollen. Aber das stört das Bundeszentralamt nicht: "Sie werden gebeten", heißt es formvollendet, "dieses Schreiben aufzubewahren, auch wenn Sie derzeit nicht steuerlich geführt werden." Außerdem wird Sohnemann aufgefordert, die unter seiner Nummer gespeicherten Daten zu überprüfen und Fehler "an die unter der Rücksendeadresse aufgeführte Behörde" zu melden.

Liebes Bundeszentralamt: Natürlich haben die pflichtbewussten Eltern den Brief sofort an den Identifikationsnummern-Inhaber ausgehändigt und ihn darauf hingewiesen, dass es nicht selbstverständlich ist, mit gerade einmal vier Wochen von einer so wichtigen Institution gesiezt zu werden. Dennoch tut er nach wie vor, als könne er weder schreiben noch lesen, und wir befürchten, dass er die für ein Baby sehr, sehr lange Nummer bei seiner ersten Steuerklärung in gut 20 oder mehr Jahren wieder vergessen haben könnte. Vielleicht, liebes Bundeszentralamt, schreibt ihr ihm dann noch mal.