Eine Glosse von Hans Wacker

Es ist die hohe Zeit der norddeutschen Küche. Grünkohl mit Zwiebeln, die in reichlich Schmalz angebraten sind, dazu Kochwurst, Kassler, Schweinebacke und karamellisierte Bratkartoffeln. Das sieht auf dem Teller weder übersichtlich nach Sterneküche aus, noch ist es fettarme Kost. Damit jeder sein Fett wegbekommt, trinkt man dazu Bier und Schnaps.

Bei solchem Mahl können Politiker in Bierlaune auf Schnapsideen kommen. In Marmstorf zum Beispiel. Das ist ein kleiner Zipfel am südlichen Rand der Metropole Hamburg. Der Ortsvorsitzende der CDU forderte jetzt beim Grünkohlessen seiner Partei die Abspaltung von Hamburg. Nicht nur für Marmstorf und seine Ortsteile Appelbüttel und Lürade, am besten gleich für ganz Harburg. Denn Harburg, obwohl gemessen an der Einwohnerzahl so groß wie Leverkusen, habe in der Politik weniger zu bestellen als etwa Winsen/Luhe.

Das ist ein Menetekel. Wenn sich die Separatisten in Marmstorf durchsetzen, werden andere Stadtteile aufbegehren, weil auch sie nach Unabhängigkeit streben. Das wirft ganz neue Fragen auf. Sollte Harvestehude sich von der Freien und Hansestadt lossagen, ist dann noch der freie Zugang zur Außenalster gewährleistet? Oder Horn: Wird die Rennbahn zum Glückspielparadies wie Las Vegas? Wird Neuwerk zur Steueroase im Hamburger Wattenmeer? Inseln sind für solche Zwecke sehr beliebt. Marienthal löst sich aus der Euro-Zone und führt als Währung den Marienthaler ein. Wer Straßen benutzt, zahlt eine Maut an den jeweiligen Hoheitsbereich des ehemaligen Stadtteils. Wer länger im Stau steht, bezahlt auch mehr. Mit diesen Einnahmen werden Büros gebaut, weil die Verwaltung natürlich mehr Platz benötigt.

Vermutlich hat die CDU in Marmstorf das aus purer Opposition vorgeschlagen. Oder die Menschen beim Grünkohlessen nur verkohlt.