Mit einer Metallsäge zerschnitten die Täter den linken Unterschenkel der Eurydike. Ein Fünftel bereits zugesagt. Polizei hofft auf Hinweise.
Hamburg. Rote Rosen, Olivenzweige und zwei bronzene Beinstümpfe. Der Raub der Eurydike-Figur am Alsterufer bewegt: Passanten verweilen irritiert beim Anblick der herrenlosen Füße und des angeschnittenen Schienbeins der Orpheus-Statue. Metalldiebe hatten vor mehr als zwei Wochen Orpheus an- und Eurydike abgesägt. Rostbraune Brühe läuft jetzt wie Blut aus dem Schnitt im Bronzebein des Lyra-Spielers. Unbekannte haben den Sockel am Alsterufer mit Blumen und Zweigen geschmückt. Eine Würdigung der Hamburger Künstlerin Ursula Querner?
Tochter Dorothee Wallner freut sich über den Zuspruch, kommt mit einem großen Foto der verschwundenen Figur ins Alstervorland - und mit einer Idee: Sie gibt die bronzene Eurydike noch nicht verloren. Im Archiv der beiden Töchter Querners und ihres ebenso bekannten Mannes Claus Wallner wartet eine zweite Eurydike. Eine Art Zwillingsskulptur, die der gleichen originalen Gipsform von 1958 entstammt und die nur auf Ausstellungen zu sehen ist. Sie könnte der Schlüssel sein, das Mythenpaar Orpheus und Eurydike wieder zu vereinen. Denn mit der noch bestehenden Skulptur gibt es - anders als bei vielen anderen Fällen von Kunstdiebstahl - die Möglichkeit, eine neue Gipsform zu erstellen und Eurydike nachzugießen. Und dies mit dem Einverständnis, besser noch, dem Wunsch der Erben. "Etwa 10.000 Euro würde der Nachguss kosten", erklärt Wallner, selbst Künstlerin und Kunsttherapeutin, nach Rücksprache mit einem Bronzegießer, der mehrere Querner-Ausstellungen mit vorbereitet hat, zuletzt vor wenigen Wochen in Blankenese.
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Doch woher soll das Geld kommen, angesichts leerer Haushaltskassen? Nach Gesprächen zwischen Wallner, dem bekannten Museumspädagogen Thomas Sello und der Kulturbehörde ist eine Lösung in Sicht: Über die Stiftung Denkmalpflege sollen Spenden zusammengetragen werden. Und: 2000 Euro sind bereits im Topf. Zwei Kunstliebhaber, die nicht in die Öffentlichkeit wollen, haben je 1000 Euro für den Nachguss gespendet.
"Wir freuen uns sehr über die spontane Bereitschaft der Stiftung Denkmalpflege, den Spendenaufruf zur Finanzierung des Neugusses der gestohlenen Plastik Eurydike und der Restaurierung des dazugehörigen Orpheus zu unterstützen", sagte der Sprecher der Kulturbehörde Enno Isermann. "Wir hoffen sehr, dass weitere engagierte Bürger folgen und wir bald wieder die Plastik aufstellen können."
Die Idee, die Reste der abgesägten Figur als Mahnmal stehen zu lassen, sieht Wallner nicht im Sinne der Künstlerin. "Ein Nachguss der zweiten Ausfertigung der Eurydike, die ja schon zu Lebzeiten von Ursula Querner gegossen und von ihr in diversen Ausstellungen gezeigt wurde, würde auf jeden Fall mehr den Intentionen der Künstlerin entsprechen." Ihre Mutter sei von der Zeitlosigkeit der griechischen Mythologie fasziniert gewesen, deren Sagen heute noch viele Menschen bewegten. Und von Paardarstellungen, von denen weitere in Rahlstedt und Langenhorn zu finden seien.
Allerdings soll Eurydike nicht nur nachgegossen werden, gleichsam sollen mit den Spenden Orpheus restauriert und ein schlüssiges Konzept umgesetzt werden, um die Bronzefiguren vor weiteren Diebstählen zu schützen. So wie bei der Figur Eva geschehen, die im vergangenen Jahr vor dem Rahlstedter Ortsamt verschwand und am Sonntag neu eingeweiht wird. 30 000 Euro hatten Rahlstedter Bürger, Firmen und Vereine zusammengebracht.
Der letzte Fall, bei dem eine Metallskulptur verschwand, spielt in Norderstedt. Der wertvolle Stelzenläufer - ein Mädchen auf Stelzen - war am Wochenende von einem Grundstück gestohlen worden. Wie bei Eurydike, die nahe der Milchstraße im Alstervorland neben Orpheus stand, hat die Polizei bislang keine Erkenntnisse über den Verbleib der Skulptur. Die Hamburger Ermittler hoffen im Fall Eurydike auf Hinweise aus der Bevölkerung: Telefon 428 65 67 89.
Spenden für den Nachguss Eurydikes: Stiftung Denkmalpflege Hamburg; Spendenkonto: 00 545 03 024, Berenberg Bank; BLZ 201 200 00; Verwendungszeck: Eurydike/Querner
