Mutmaßliche Metalldiebe haben am Wochenende die Skulptur “Stelzenläufer“ in Glashütte gestohlen. 25 Jahre lange haben die Figuren da gestanden.

Norderstedt. 25 Jahre lange haben die beiden da gestanden. Der Junge auf seinen Stelzen, verharrt in der Bewegung nach vorne. Das Mädchen mit den Zöpfen, wie es gerade die Balance verliert und von den Stelzen absteigt. Die Skulptur "Stelzenläufer" des Bildhauers Fred Tuynman aus der Norderstedter Partnerstadt Zwijndrecht gehörte an der Ecke der Mittelstraße mit der Tangstedter Landstraße zum Stadtbild. Jetzt ist sie weg, über Nacht verschwunden. Und es ist zu befürchten, dass sie sogar längst zerstört und eingeschmolzen wurde. Von Kupferdieben, die das Metall zu Geld machen und sich dafür sogar an Kunst vergreifen.

Irgendwann zwischen Freitag, 1 Uhr, und Sonnabend, 10.30 Uhr, müssen die unbekannten Täter angerückt sein. Die laut Polizei etwa 50 Kilo schwere Bronze-Skulptur, die in einer Betonplatte verankert war, lässt sich nicht mal so eben wegtragen. Wahrscheinlich ist es dass die Diebe mit schwerem Gerät operierten. Die Polizei ermittelt in alle Richtungen. Ob es sich bei den Tätern um Metalldiebe handelt oder Kunstsammler, kann die Polizei nicht sagen. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass ein krimineller Sammler die "Stelzenläufer" unbedingt haben wollte, scheint eher gering. Metalldiebe hingegen schlagen fast täglich irgendwo im Großraum Hamburg zu.

Für ein paar Hundert Euro vergreifen sich Metalldiebe auch an Kunst

Der stark gestiegene Kupferpreis macht die Metalldiebe gierig. Gestern gab es für ein Kilo Kupfer 7,98 Dollar (5,83 Euro). Der Preis lag auf seinem Höhepunkt in den vergangenen Wochen schon bei 10,18 Dollar. Die Bronze-Skulptur der Stelzenläufer hat einen etwa 80-prozentiger Kupferanteil, bringt also keine 250 Euro. Für Metalldiebe aber genug, um selbst derart stark exponierte Skulpturen im öffentlichen Raum abzusägen. Für Norderstedt ist dies der erste Fall. In Hamburg verschwand zuletzt am Alsterufer die Bronzeplastik Eurydike der Künstlerin Ursula Querner, im Öjendorfer Park eine Wal-Skulptur, am Pinguinbrunnen im Stadtpark ein ganzer Vogel, im Schulgarten an der Außenmühle in Harburg ein Bronzebär. Auf dem Friedhof Ohlsdorf wurden drei Bronzeskulpturen von den Gräbern gestohlen. Für Norderstedt bleibt zu hoffen, dass der Diebstahl der "Stelzenläufer" der erste und letzte seiner Art ist. "Wir sind traurig, dass die Skulptur verschwunden ist. Uns bleibt nur, an die Täter zu appellieren, sie uns wieder zurück zu geben", sagt Hauke Borchardt, der Sprecher der Norderstedter Stadtverwaltung. Dieses Exponat der Kunst im öffentlichen Raum sei nicht versichert. 25 000 Mark hat die Stadtverwaltung 1986 für den Ankauf des Werkes von Fred Tuynman bezahlt. Tuynman stammt aus der Partnergemeinde Zwijndrecht. Er fertigte die Gussform für die Skulptur beim 3. Internationalen Symposium bildender Künstler in Norderstedt. Und zwar unter reger Beteiligung der Öffentlichkeit mitten im Herold-Center. Der 1938 in Den Haag geborene Tuynman gehörte damals zu den bedeutendsten Bildhauern in der Region um Rotterdam. Er arbeitete fast ausschließlich figurativ und war der Ansicht, Skulpturen sollten dem Betrachter Freude geben. Spielende Kinder waren immer wieder sein Motiv. Tuynman sagte damals, die Stelzenläufer seien "aus der Freude an der Form und dem Verlangen nach raumgreifender Bewegung" entstanden und zeigten dem Betrachter die gelöste Bewegung in seiner naturhaften Körperlichkeit". Idee und Material sollten eine lebendige Einheit eingehen.

Der Schrotthändler nimmt von jedem Kunden die Personalausweisnummer

Die unbekannten Täter sind mutmaßlich längst dabei, die Idee vom Material zu trennen. "Denn um das Metall zu Geld zu machen, müssen die das schon völlig unkenntlich machen", sagt Tobias Heinrichs. Er arbeitet für den Norderstedter Schrott- und Altmetallhändler Mathias Machalski. Mit so einer Skulptur bei einem Händler auf den Hof zu fahren und zu sagen, die sei aus Omas Garten, das laufe nicht. "Ich nehme an, solche Sachen gehen sofort ins Ausland oder zumindest von Nord- nach Süddeutschland und werden verarbeitet", sagt Heinrichs. Der Metallhändler habe es hauptsächlich mit Firmenkunden zu tun, aber laufend auch mit den kleinen "Metallhökern", die Schrott anliefern. "Wo die das im Einzelfall her haben, können wir nicht für jedes Teil prüfen. Wir sind nicht die Polizei. Aber wir nehmen von jedem, dem wir etwas abkaufen, die Personalausweis-Daten samt Nummer. Dann lässt sich das zurückverfolgen", sagt Heinrichs.

Bronzeskulpturen im Wert von über 200 000 Euro stehen in der Stadt

Im Norderstedter Stadtgebiet waren die "Stelzenläufer" nicht die einzigen Bronzeskulpturen. Insgesamt finden sich auf Plätzen, Friedhöfen und an Brunnen bronzene Kunstwerke, die allesamt einen Wert von über 200 000 Euro haben. Ob deren Sicherheit jetzt noch gewährleistet ist, kann Hauke Borchardt auch nicht sagen. "Die Skulpturen lassen sich gar nicht so aufstellen, dass sie nicht jemand doch stehlen kann", sagt Borchardt. Vielleicht ist eine Idee, die in Hamburg diskutiert wird auch für Norderstedter interessant: Für die Kunstwerke im öffentlichen Raum übernehmen Unternehmen die Patenschaft. Und die Bürger, die in der Nähe der Kunstwerke leben, haben immer ein waches Auge auf die Skulpturen.

Eine Anwohnerin an der Mittelstraße, die seit langem gegenüber von den "Stelzenläufern" wohnt, kommt am Dienstag gerade aus der Tiefgarage des Mehrfamilienhauses. "Die Figuren sind weg? Ach, tatsächlich, jetzt, wo Sie das sagen, fällt mir das auch auf. Na so was!"

Hinweise zu den Tätern an die Polizei Norderstedt unter 040/52 80 60.