Direktorin Claudia Draser gibt nach Querelen überraschend die Leitung ab. Behörde soll viele Beschwerden erhalten haben. Nachfolge offen.

Rotherbaum. Sie ist die größte Schule in Deutschland und die mit Abstand größte in Hamburg. Die Staatliche Jugendmusikschule (JMS) erreicht mehr als 12 000 Schüler in der Hansestadt, rund 320 Pädagogen erteilen im gesamten Stadtgebiet jede Woche 3000 Unterrichtsstunden. Musiziert wird in mehr als 100 Instrumentalgruppen, Orchestern, Bands, Chören, Tanzgruppen und Musik-Projekten.

Glaubt man Insidern, überwogen in der renommierten Einrichtung am Mittelweg in den vergangenen Monaten die Misstöne. Jetzt hat die Behörde reagiert. Nach monatelangen Querelen und heftiger interner Kritik an der Direktorin Claudia Draser wird eine der wichtigsten schulischen Leitungspositionen der Stadt am 1. Februar kommenden Jahres neu besetzt.

Damit endet die Amtszeit von Claudia Draser nach genau drei Jahren.

"Ja, es stimmt", sagt Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde, "Claudia Draser wechselt am 1. Februar 2012 zum Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung." Über die Gründe für den letzten Endes doch überraschenden Wechsel an dieser so wichtigen musikalischen Schaltstelle heißt es aus der Behörde nur, dass Claudia Draser "aufgrund der angespannten Situation an der Jugendmusikschule bereits vor einigen Monaten das Gespräch mit der Schulbehörde gesucht" habe, die ihr jetzt das Angebot einer neuen Aufgabe gemacht hat. Am Landesinstitut soll sie ein Konzept für die Aus- und Weiterbildung von Musik-Lehrkräften in schulischen Kontexten entwickeln: "Schulmusik der Zukunft".

Gestern habe sie ihre Entscheidung der Verwaltung der JMS und den führenden Mitarbeitern mitgeteilt. Nicht wenige von ihnen werden daraufhin hörbar aufgeatmet haben. Denn die Liste der Vorwürfe der internen Kritiker ist lang. Lehrer berichten von fehlender Kommunikation, Perspektivlosigkeit und einem hohen Krankenstand. Stellen seien nicht wieder besetzt, E-Mails nicht oder wenn, dann höchst verspätet beantwortet worden. "Und wenn man dann irgendwann eine Antwort auf seine Anfrage bekommen hat, ist das oft keine verlässliche Aussage gewesen", sagt einer. Fakt ist, dass seit dem krankheitsbedingten Wegfall einer Mitarbeiterin die Öffentlichkeitsarbeit der JMS quasi zum Stillstand gekommen ist.

Die Anzahl der Beschwerden über den Führungsstil von Claudia Draser, die in der Behörde eingegangen sind, sei ungewöhnlich hoch, heißt es. Die Zahl von mehr als 30 Beschwerden wollte die Behörde nicht bestätigen.

Immerhin haben die zuständigen Stellen insofern auf die massive Kritik der Pädagogen an ihrer Chefin reagiert, dass sie einen externen Berater damit beauftragt haben, sich mehrere Monate lang um verbesserte Abläufe in der JMS zu bemühen. Claudia Draser selbst war gestern für das Abendblatt für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Dabei kann sich das, was am Mittelweg geleistet wird, durchaus sehen lassen. Viele herausragende Projekte sind dort entstanden. Zuletzt erhielt die Großstadt-Oper "Morgen war noch nie" von Dirk Bleese und Kristina Faust viel Beifall. Der Neue Knabenchor, der im September sein 20-jähriges Bestehen gefeiert hat, konzertiert rund um den Globus und hat auch schon den Papst im Petersdom mit seinem glasklaren Gesang bewegt. Es gibt eine tolle Bigband, einen Mädchenchor, eine Jazzband, die Orchesterschule und viele Erfolge der jungen Hamburger Musiker bei bundesweiten Wettbewerben wie "Jugend musiziert".

Und es gibt mit dem jüngst eröffneten und nach dem spanischen Architekten Enrico Miralles benannten Konzertsaal eine wunderschöne Spielstätte für junge Musik. Sie wartet nur darauf, von den kreativen Jugendlichen regelmäßig in Besitz genommen zu werden.

Drasers Vorgänger Wolfhagen Sobirey, der die JMS 20 Jahre geleitet hat, hofft, dass sich jetzt alle wieder konzentriert ihren wichtigen Aufgaben zuwenden: "Die Auseinandersetzungen haben mich sehr beunruhigt. Eine solch wichtige kulturelle Jugendbildungseinrichtung darf sich keine Ruhezeiten gönnen." Wer zukünftig die erste Geige am Mittelweg spielen wird, ist offen. "Ich gehe davon aus, dass es eine überregionale Ausschreibung geben wird, obwohl es auch intern geeignete Kandidaten gibt", sagt Sobirey. Die Behörde ist zuversichtlich, in drei Monaten den Posten neu besetzt zu haben.