Ein Kommentar von Iris Hellmuth

Schon seltsam: Da blickt man seit Wochen angestrengt nach Brüssel und Griechenland, weil man Angst um Europa hat - und schon verliert man die vielen anderen Brandherde aus dem Blick. Wie schnell das geht. Am 1. Januar 2011 verabschiedete das rechtskonservative Parlament in Ungarn ein so restriktives Mediengesetz, dass es die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als Verstoß gegen ihre Standards einstufte. Die Proteste waren laut, dann wurde es lange Zeit still. Bis vor wenigen Tagen der Budapester Oberbürgermeister zwei bekennende Faschisten und Antisemiten an die Spitze des Neuen Theaters berief. György Dörner und Istvan Csurka sollen das Haus von nun an führen - Dörner, ein mittelmäßig begabter Schauspieler, ist jüngst Mitglied der rechtsextremen MIEP-Partei geworden, Csurka, ein gescheiterter Dramatiker, ist ihr Vorsitzender.

Man könnte sich nun abwenden, angewidert den Kopf schütteln und sagen: Hoffentlich ist der Spuk bald vorbei. Doch was in Budapest passiert, ist mehr als ein Theaterskandal. Es stellt sich die Frage, wie das aufgeklärte, das werteorientierte Europa mit einer Regierung umgeht, die ihre Kultur- und Medienpolitik in die Hände von Rechtsextremen legt. Die Zukunft Europas entscheidet sich derzeit nicht in Athen. Sie entscheidet sich in unseren Reaktionen auf die Vorgänge in Ungarn. Sie müssen uns alle empören.