Die Konsumlust steigt, von Panik keine Spur. Das Volk wird zum Vorbild für Politiker.

So konfus die Politik nach dem richtigen Weg aus der Schuldenkrise sucht, so ruhig und besonnen reagiert die deutsche Bevölkerung auf die beinahe tägliche Schwarzmalerei und Dampfplauderei zahlloser Möchtegern-Ökonomen zur Zukunft des Euro. Kaum eine Talkshow kann es sich noch leisten, auf das Spiel mit den Ängsten der Sparer und Rentner zu verzichten - denn mit diesen Themen sind in unsicheren Zeiten hohe Einschaltquoten garantiert. Schon vor Jahren sagten Volkswirte zweistellige Inflationsraten voraus. Fakt ist: Eine so lange Phase stabiler Preise hat es in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben. Auch nicht zu Zeiten der D-Mark, deren Stärke Euro-Kritiker gerne preisen.

Wenn es ums eigene Geld geht, dann wird der Mensch nervös. Die Straßenkrawalle in Athen sind dagegen weit weg. Dass jeder zweite Jugendliche in Spanien arbeitslos ist, interessiert in Wellingsbüttel oder Othmarschen - wenn überhaupt - nur am Rande. Und bei der Frage nach der genauen Ausgestaltung des von der Politik ersonnenen Rettungsschirms oder der Bedeutung des ominösen "Hebels" dürften selbst diplomierte Volkswirte ins Stottern geraten.

Was zählt, ist das eigene Sparkonto, die Lebensversicherung, die Rente. Was wird davon in drei, fünf, zehn Jahren noch übrig sein? Wird doch die von halbseidenen Talkshow-Gästen immer wieder als Schreckensszenario formulierte Hyperinflation kommen? Soll man sich jetzt einen Goldvorrat anlegen? Solche und ähnliche Gedanken dürften den meisten Deutschen in den vergangenen Monaten durch den Kopf geschossen sein. Die Panikmacher hinterlassen eben ihre Wirkung.

Umso erfreulicher ist das aktuelle Verhalten der Deutschen. Sie geben zwar mehr Geld aus, verzichten aber auch nicht auf ihre private Altersvorsorge. Für die Konjunktur ist es wichtig, dass gerade die Besserverdienenden in den kommenden Monaten kräftig konsumieren. Mit ihren Ausgaben für langlebige Güter wie Möbel, Autos oder Computer könnte der prognostizierte Abschwung hierzulande vielleicht noch aufgehalten werden. Denn vor allem auf die inländische Nachfrage werden Produzenten und Einzelhändler 2012 angewiesen sein. Bricht sie weg, droht ein rasanter Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Kaufen, kaufen, kaufen - so sollte die Devise dennoch nicht lauten. Mit Zuversicht konsumieren, sich auch mal etwas gönnen, aber nicht plan- und kopflos das Geld ausgeben. So lautet das beste Rezept für den einzelnen und die gesamte Volkswirtschaft. Am Immobilienmarkt ist bereits Vorsicht geboten. Auf den Kaufrausch könnte in einigen Jahren die große Ernüchterung folgen. Sicherlich kann es Sinn machen, für das Alter ein Haus oder eine Wohnung zu erwerben. Allerdings sollte gerade eine solche private Großinvestition wohl überlegt sein. Angst vor Inflation allein ist hier ein schlechter Ratgeber.

Besonnene Bürger stehen auf der Habenseite der Euro-Krisen-Bilanz; nervöse Politiker, die mehr Stückwerk als dauerhafte Lösungen anbieten, auf der Sollseite. Es wird Zeit, dass die Regierenden in Europa endlich einen langfristigen Weg aus der Schuldenfalle aufzeigen. Der Schuldenschnitt für Griechenland ist nicht mehr als ein erster Schritt. Kompromisslose Regulierungen der Finanzbranche, die das gefährliche Spiel ehrgeiziger Banker mit fremdem Geld unterbinden, müssen ebenso wie eine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik beschlossen werden. Und über allem muss selbstverständlich die Konsolidierung der maroden Staatshaushalte stehen - nicht nur in Griechenland, Portugal, Spanien und Italien. Auch in Deutschland.

Es wird Zeit für schnelle Entscheidungen und bittere Wahrheiten, damit die Bürger auch in den kommenden Monaten besonnen bleiben.