Insgesamt wurden Drogen im Wert von 30 Millionen Euro entdeckt. Elf Seeleute festgenommen. Besatzung hatte Rauschgiftfund selbst angezeigt.

Hamburg/Puerto Ordaz. Das verdächtige Paket hatte sich lange allen wachsamen Blicken entzogen. Unterhalb der Wasseroberfläche am Rumpf des Massengutfrachters befestigt, wäre es kaum entdeckt worden. Doch mit dem Löschen der tonnenschweren Eisenerzladung tauchte das mächtige Schiff im Hafenbecken von Puerto Ordaz im Nordosten Venezuelas immer weiter auf - und mit ihm das versteckte Paket nahe dem Ruder, bis es die Wasserlinie durchbrach und die Aufmerksamkeit der Crew auf sich lenkte.

Für einen Großteil der Mannschaft des Hamburger Frachters "Juergen Schulte" begann damit ein Albtraum, der schon seit zwei Wochen anhält und dessen Ende bislang nicht abzusehen ist - obwohl sie aus Sicht ihrer Reederei alles richtig gemacht haben.

Die Seeleute meldeten den Fund umgehend der venezolanischen Polizei, die das Paket an Land hieven ließ. Darin war knapp eine halbe Tonne Kokain mit einem Schwarzmarktwert von bis zu 30 Millionen Euro. Für die Mannschaft verhieß der Fund nichts Gutes. Die örtlichen Ermittler nahm kurzerhand die Hälfte der Crew fest, der Frachter wurde beschlagnahmt. Möglicherweise werden die Seeleute jetzt selbst des Drogenhandels beschuldigt. Bereits seit zwei Wochen harren die elf Besatzungsmitglieder - darunter auch der Schiffskoch - nun schon im Gefängnis von Puerto Ordaz aus. Der Fall wurde jedoch erst Ende dieser Woche bekannt. Die Hamburger Reederei Bernhard Schulte hat bereits Rechtsmittel gegen die Festsetzung ihrer Besatzungsmitglieder eingereicht. Gegen keines seien bislang Vorwürfe erhoben worden, sagte ein Sprecher des Unternehmens. Die Männer seien unschuldig.

Ein Vertreter der BSM Shipmanagement, die für den Frachter verantwortlich ist, ging sogar noch einen Schritt weiter: "Wir können mit 99,9 Prozent Sicherheit sagen, dass es kein Mitglied der Crew war", sagte er mit Blick auf die Urheber der Drogen. Es werde alles versucht, um der Mannschaft den Aufenthalt zu erleichtern. Die Reederei Bernhard Schulte hat inzwischen ein Expertenteam in den südamerikanischen Staat geschickt, um mit den Behörden zu verhandeln.

Der Frachter "Juergen Schulte" wurde 1997 gebaut und transportiert vornehmlich Massengüter wie Getreide, Erze oder auch Kohle. Aus Belgien kommend, hatte er am 8. Oktober Venezuela angelaufen, sollte danach in Richtung Frankreich aufbrechen. Registriert ist das Schiff in Monrovia im westafrikanischen Liberia. Die aktuelle Mannschaft besteht aus einem russischen Staatsangehörigem, einem Tschechen sowie Seeleuten aus der Ukraine und von den Philippinen. Der Ausfall durch das Festhalten des Frachters kostet die Eigentümer nach Branchenschätzung zwischen 15 000 und 20 000 Dollar pro Tag.

Dass ein deutscher Frachter wegen Rauschgiftverbrechen festgehalten wird, ist nach Einschätzung des Verbands Deutscher Reeder heute selten. "Früher konnte man einer Mannschaft eher mal etwas unterjubeln", sagt Verbandssprecher Max Johns. Doch seit Inkrafttreten der internationalen Anti-Terror-Regeln, dem sogenannten ISPS-Code, sei die Sicherheitslage in allen Häfen nach 2001 deutlich verschärft worden.

Wachen an den Schiffen, umzäunte Anlagen - das würde den Schmuggel sehr viel schwieriger machen. Johns: "Wir haben beim Schmuggel, aber auch bei den Fällen blinder Passagiere daher deutlich rückläufige Zahlen." Und in diesem Fall habe sich die Mannschaft zudem sehr gut verhalten, weil sie den Fund gleich gemeldet hat", so Johns: "Ob die örtlichen Behörden das auch so sehen oder sehen wollen, ist eine andere Frage."

Drogenfunde dieser Art sind auch für die Ermittler in Hamburg nicht unbekannt. Immer häufiger werden Drogenladungen nicht an Bord, sondern von Tauchern außen am Schiffsrumpf versteckt: sei es in den sogenannten Seekästen, durch die Kühlwasser für die Maschine angesaugt wird und die dafür auf- und wieder zugeschraubt werden. Oder an den Schlingerleisten zu beiden Seiten des Rumpfes. Dabei werden "Torpedos", mit Drogen gefüllte Druckflaschen, mithilfe von Schraubzwingen an den Rumpf geklemmt. Bei den Kontrollen von Zoll und Wasserschutzpolizei sind deshalb immer auch Taucher im Einsatz, seit 2002 sogar ein Tauchroboter. Den größten Kokainfund machten die Ermittler im vergangenen Jahr, allerdings in einem Container: Auf einem Frachter aus Paraguay entdeckten sie 1,33 Tonnen Kokain - so viel wie nie zuvor.