Das Lob der Politik für die Bankenproteste ist scheinheilig

Auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz haben nur einige Dutzend Verwegene ihr Zelt aufgeschlagen, aber sie sind Teil einer Massenbewegung. Occupy Wall Street, die Besetzung des US-amerikanischen Finanzviertels, war nur der Auftakt, inzwischen bricht sich im Protest das Unbehagen und die Wut über die Finanzkrise im Allgemeinen und Eskapaden von Bankern und Börsianern im Besonderen weltweit Bahn. Diese Bewegung stellt lauthals die Fragen, die man endlich beantwortet haben möchte - sie stellt die Frage nach Verantwortlichkeiten im Schuldenschlamassel, nach Konsequenzen aus der Krise, nach Moral und Anstand

Doch eins ist anders als bei früheren Protestbewegungen: Die Demonstranten werden von den Mächtigen aus der Politik geradezu gefeiert. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zeigte sich verständnisvoll, Kanzlerin Angela Merkel lobt die Bewegung, Beifall gibt es von Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon und sogar vom chinesischen Außenministerium. Will die Politik den anschwellenden Widerstand vereinnahmen oder so heftig umarmen, dass er erstickt?

Vermutlich sind die Hintergründe schlichter. Es ist Populismus pur angesichts der Stimmung in der Bevölkerung. Mit Banken-Bashing erhoffen sich einige Politiker offenbar Sympathiepunkte. Vor allem aber ist es der Versuch, die Verantwortung in der derzeitigen Finanzkrise allein den Banken in die Schuhe zu schieben. Natürlich war der Finanzsektor der Brandbeschleuniger der wütenden Krise; aber die Politik hat als Feuerwehr bislang versagt: Sie hat die "Monster" an den Märkten durch die Deregulierung der vergangenen Jahrzehnte erst großgezogen und nach 2008 nicht vermocht, den Märkten die nötigen Fesseln anzulegen. In Europa wiederum scheitern die Ministerpräsidenten seit Monaten an nationaler Engstirnigkeit. Da ist es nur eine Fußnote, dass der Vorzeige-Europäer Jean-Claude Juncker aus Luxemburg sich derzeit die Frage stellen lassen muss, warum ausgerechnet in seinem Land Steuerhinterzieher prächtige Geschäfte machen können.

Nein, die Politik sollte die Occupy Wall Street nicht beklatschen, sondern eher ein Mea Culpa sprechen.