Ein Kommentar von Christian-A. Thiel

Es gibt eine Charaktereigenschaft bei großen Champions, die sie bei ihren Gegnern unbeliebt macht. Sie wollen immer und unbedingt gewinnen. Siehe Timo Boll, den Tischtennis-Europameister, der um jeden Preis seinen fünften Titel wollte. Siehe die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, die auch die bedeutungslosen EM-Qualifikationsspiele in Türkei und gegen Belgien makellos überstehen wollte. Und siehe Sebastian Vettel.

Der Formel-1-Rennfahrer aus Heppenheim ist ohne Zweifel der Beste seiner Zunft. Er hat seinen zweiten Weltmeistertitel mit zugegeben herausragendem Material eingefahren. Aber wo Red Bull ohne Vettel stehen würde, lässt sich an den Resultaten von Mark Webber ablesen. Der Australier ist ebenfalls ein sehr guter Rennfahrer, muss sich aber mit den Verfolgern von McLaren und Ferrari herumschlagen. Vettel hat sein Auto perfekt auf seine Fahrkunst eingestellt.

Niemand würde es dem jungen Weltmeister verdenken, wenn er es zum Ende einer kräftezehrenden Saison mal etwas ruhiger angehen lassen würde. Aber es passt nicht in sein Profil, sich mit zweiten oder dritten Plätzen zufriedenzugeben. Vettel ist ein Vollgastier, das immer und um jeden Preis gewinnen will. Er hat einmal gesagt, dass ihm nichts so viel Spaß mache wie das Gefühl, als Erster die schwarz-weiß karierte Zielflagge zu sehen. Selbst jenen dritten Rang, der ihn vor Wochenfrist vorzeitig zum Weltmeister krönte, akzeptierte er erst mit Bedenkzeit. Vettel ist nicht der Mann, der einfach so im Feld mitrollt. Sein Platz ist vorn. Ganz vorn.