Hightech-Kriminelle sind bestens organisiert und stehlen auf Bestellung. Zahl der Fälle ist im Jahr 2010 um mehr als zehn Prozent gestiegen.

Hamburg. Mehrere Jahre schien es, als müssten Autodiebe der immer ausgefeilteren Sicherheitstechnik Tribut zollen, als sei der Pkw-Klau ein aussterbendes Gewerbe - doch seit dem Jahr 2010 ist die Zahl der Autodiebstähle in Hamburg wieder um mehr als zehn Prozent angestiegen. Im ersten Halbjahr 2011 setzt sich der besorgniserregende Trend fort: 1120 Autos sind laut vorläufiger Statistik bereits gestohlen worden, wie aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Karl-Heinz Warnholz hervorgeht. Die Aufklärungsquote liegt bei knapp über neun Prozent.

Die Taten gehen zum Großteil auf das Konto organisierter Banden, die auf Bestellung hochwertige Fahrzeuge aufbrechen und im Ganzen oder demontiert ins Ausland überführen. Gelegenheitsdiebe spielen dagegen kaum noch eine Rolle.

Laut Christian Lübke, Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, sind es Experten, die die Taten begehen. Lübke: "Da kommen ausgebildete Mechaniker, die genaue Aufträge im Gepäck haben. Da wird kaum etwas dem Zufall überlassen." Nach Angaben von Matthias Schmitting, Sprecher des ADAC Hansa, herrschen in der Szene "mafiöse Strukturen". Schmitting: "Die Täter sind technisch bestens ausgerüstet, kommen längst mit dem Laptop statt mit einem Draht, wie es früher einmal war." Oft wüssten die Diebesbanden schon vor der Marktreife, wie Neuwagen zu klauen sind - dank gut bezahlter Hinweise aus den Reihen der Belegschaften der Hersteller oder der Zulieferer.

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638 VW, 301 BMW, 263 Audi und immerhin noch 37 Porsche sind im Jahr 2010 in Hamburg gestohlen worden. Mit 145 Stück liegen Pkw des Modells VW Golf klar an der Spitze der Hamburger Autodiebstahl-Statistik - was laut Polizei vor allem an der Verfügbarkeit liegen dürfte. In Hamburg wie bundesweit geht der Trend allerdings klar in Richtung Luxuskarossen. Bundesweit liegt (gemessen an der Zahl der Zulassungen) der Lexus RX400 Hybrid vor dem BMW M3, dem VW T4 Multivan, dem BMW X5, Toyota Landcruiser und Porsche Cayenne an der Spitze der Statistiken aus dem Jahr 2010 - die traditionell und mit weitem Abstand vom Tatort Berlin angeführt werden. Auffällig in Hamburg: Die Täter machen zunehmend vor allem in innenstadtnahen Wohngebieten Beute. In Harvestehude, Eppendorf und Winterhude sind Anstiege zu verzeichnen. Auch Barmbek gewinnt bei Autodieben an Beliebtheit.

Insgesamt wurden im Jahr 2010 in Hamburg 2326 Kraftwagen gestohlen. Von diesen Taten wurden bis jetzt gerade mal 212 aufgeklärt. In den beiden Vorjahren hatte die Zahl der Taten bei knapp über 2000 gelegen, die Aufklärungsquote lag noch bei über zehn Prozent.

Anders als bei Autos ist die Zahl der Zweirad-Diebstähle weiterhin rückläufig. 1127 Krafträder wurden 2010 entwendet, fast 200 weniger als noch im Jahr 2008. Im ersten Halbjahr 2011 sind 402 Mofas, Motorroller und -räder gestohlen worden. Laut Polizeisprecher Holger Vehren wertet die Polizei die Diebstahlsdaten, also Uhrzeit, Tatort und Modell, täglich aus, um schnell Schwerpunkte erkennen und dort dann tätig werden zu können. Unter anderem würden Zivilstreifen eingesetzt, um Täter zu fassen.

Die gestohlenen Karossen gehen in fast allen Fällen in Einzelteilen oder als Komplettfahrzeug ins Ausland. Versicherungsexperte Lübke: "Das ist inzwischen ein weltweiter Markt. Viele Fahrzeuge werden nach wie vor gen Osten gebracht, gestohlene Wagen der absoluten Oberklasse werden aber immer öfter auch in den arabischen Ländern wiederentdeckt. Lübke: "Selbst in Afghanistan haben Ermittler schon Luxuswagen sichergestellt." Für die Besitzer der bei Dieben besonders beliebten Baureihen gebe es einfache Möglichkeiten des effektiven Schutzes, sagt Lübke. Einfache mechanische Lenkradsperren seien zum Beispiel eine Methode, den eigenen Besitz wirksam zu schützen. "Sie zu entfernen kostet Zeit und weckt Aufmerksamkeit", sagt der Versicherer. Er persönlich jedoch habe noch nie einen geparkten Porsche Cayenne gesehen, der mit einer solchen Sicherungsstange ausgestattet gewesen wäre. Der CDU-Abgeordnete Karl-Heinz Warnholz sieht die Polizei in der Pflicht: "Die Polizei muss den Fahndungsdruck aufrecht erhalten. Nötigenfalls muss mehr Personal eingestellt werden."