Für kurze Zeit konnte man stolz sein auf die Hansestadt, die sich so gern das Adjektiv liberal vor den Namen hängt. Der untaugliche Versuch, mittels eines Zauns Obdachlose an der Kersten-Miles-Brücke auszusperren, hatte viele in Hamburg empört. Ein breites Bündnis brachte das Absperrgitter schließlich zu Fall.

Doch mehr und mehr drängt sich der Eindruck auf, zumindest einigen ging es doch weniger um den Zaun und die soziale Lage der Obdachlosen als vielmehr um einfache Politik. Wer die Bürgerschaftsdebatte, Erklärungen und Verlautbarungen der vergangenen Tage verfolgt hat, muss den Eindruck bekommen, die Astrid-Lindgren-Figuren Rasmus und der Vagabund seien unter die Kersten-Miles-Brücke gezogen, und der böse Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) wolle sie vertreiben. Dabei gehört zu jeder demokratischen Debatte dazu, auch die Gründe anzuhören, die Schreiber zu den rigiden Maßnahmen bewogen haben. Tatsächlich gibt es auf St. Pauli massive Probleme - nicht mit Obdachlosen an sich, aber mit den Provokateuren und Gewalttätern unter ihnen. Die Polizei zählte in dem Umfeld der dort lagernden Menschen mehrere schwere Körperverletzungen, eine davon mit Todesfolge, eine Vergewaltigung und weitere Sexualdelikte. Diese Fakten haben einige gern ignoriert.

Dazu zählen auch die autonomen "Unterstützer" der Obdachlosen: Sie nehmen den Zaun zum willkommenen Anlass, den politischen Gegner nun mit einer Welle mehr oder minder subtiler Gewalt zu überziehen; sie zerschlagen Windschutzscheiben, arbeiten mit Drohungen und Einschüchterungen. Fast drängt sich der Eindruck auf, sie wollten einen politischen Brandherd - wozu der Zaun hätte werden können, wäre er nicht rasch gefallen - am Köcheln halten und für ihre Zwecke instrumentalisieren. Offenbar geht es ihnen nur um "Bambule", nicht um die Verbesserung der Lebenssituation von Obdachlosen.

Wer Schreiber zum "neuen Schill" hochstilisiert, begeht zudem eine politische Torheit. Der Bezirksamtsleiter ist kein Rechtspopulist - aber politische Gewalttäter hier und Verharmloser dort können schnell Wegbereiter für einen neuen Schill werden.