Friedensnobelpreis für Ellen Johnson-Sirleaf, Leymah Gbowee und Tawakkul Karman

Die Geschichte des Friedensnobelpreises ist auch eine Geschichte der Widersprüche und moralischen Brüche. Ihr Stifter war ja ausgerechnet der geniale Schwede Alfred Nobel, Inhaber von 355 Patenten und der Kanonenschmiede Bofors, jener Mann, der das Dynamit erfand und mit dem Schießpulver Ballistit die Kriegswaffentechnik ein kräftiges Stück in Richtung Massenvernichtung revolutionierte. Eine gewisse Bertha von Suttner suchte 1878 bei ihm um eine Stelle als Privatsekretärin nach, kündigte aber bereits nach einer Woche.

Ihr streitbarer Briefwechsel mit Nobel, dem Herrn über 90 Sprengstofffabriken, veränderte dessen Haltung zum Krieg, veranlasste ihn am Ende gar zur Stiftung dieses angesehendsten Friedenspreises der Welt. Und Bertha von Suttner? Sie wurde zur berühmtesten Friedensaktivistin der Geschichte und erhielt 1905 als erste Frau selbst den Nobelpreis.

Nun also hat das norwegische Komitee sich wieder einmal für Frauen entschieden. Oft ist dies nicht geschehen: Seit der Stiftung im Jahre 1901 sind inklusive der drei gestern Ausgezeichneten gerade einmal 15 Frauen unter den 91 Preisträgern. Da ist also noch viel Luft nach oben.

Doch diese wenigen Frauen sind immerhin nahezu unumstritten - was man von manchen männlichen Geehrten kaum sagen kann. Man denke nur an PLO-Chef Jassir Arafat, der, wie sich später erwies, alles andere als friedenswillig war. Und der ebenfalls als Friedensfürst geehrte US-Präsident Woodrow Wilson etwa war ein ausgeprägter Rassist, der den Ku-Klux-Klan förderte und die Überlegenheit der weißen Rasse propagierte.

Auch die spektakuläre Verleihung an Barack Obama 2009 war alles andere als glücklich. Den Vorschusslorbeeren als Friedensstifter konnte Obama bislang keinesfalls gerecht werden. Das Prinzip der vorauseilenden Ehrung hat sich nicht bewährt.

Die Preisträgerinnen dieses Jahres jedenfalls haben bereits Friedensleistungen erbracht, die diese Auszeichnungen vollauf rechtfertigen.

Bei dem Etikett Frauenrechtlerinnen zucken allerdings manche Männer zusammen. Doch in dem Wirken dieser drei Frauen ging es, mit Verlaub, nicht um den heroischen Kampf für Dreifach-Namen, sondern buchstäblich um Leben und Tod.

So war Liberia, die Heimat der Preisträgerinnen Ellen Johnson-Sirleaf und Leymah Gbowee, lange Jahre ein Ort von Massakern und Gräueltaten, ein Stück Hölle auf Erden. Widerstand gegen die Diktatoren Doe und Taylor, wie sie diese beiden Frauen leisteten, konnten leicht zu einem furchtbaren Tod führen. Dass Liberia wohl allmählich von der Liste der gescheiterten Staaten gestrichen werden kann, dass die marodierenden Blutmilizen weitgehend entwaffnet wurden, ist das Verdienst von "Ma Ellen", die von der Dissidentin zur Präsidentin aufstieg.

Oder der Jemen - die dort praktizierte, intolerante Radikalversion des Islam würde vermutlich selbst den Propheten Mohammed grausen. Wer als Frau in diesem Umfeld auf seinen universellen Menschenrechten besteht und sich zudem gegen den Despoten Saleh erhebt, wie Tawakkul Karman dies tat, benötigt einen nahezu übermenschlichen Mut.

Diese drei Frauen stehen für Millionen andere, die weltweit unter Lebensgefahr für Menschenrechte, Frieden und Gleichberechtigung kämpfen. Es sind oft gerade die Frauen, die autoritäre Regime wie in Ägypten, im Iran oder in Saudi-Arabien beharrlich von innen heraus aushöhlen, bis sie dröhnend zusammenfallen.

Mit der Auszeichnung für Johnson-Sirleaf, Gbowee und Karman ist das Nobelpreiskomitee in diesem Jahr seinem hohen Anspruch gerecht geworden. Und der Friedensnobelpreis kann nun als Ermutigung für all jene wirken, die sich anschicken, einen ähnlichen Kampf aufzunehmen.

Der Verfasser ist Chefautor des Hamburger Abendblatts