Eine Glosse von Sven Kummereincke

Das Leben endet mit dem Tode, bei Rindern meist mit dem frühzeitigen und per Bolzenschussgerät durchaus nicht gewaltfreien. Wenn die Tiere bis dahin ein artgerechtes und somit vermeintlich ganz zufriedenes Dasein haben, dann finde ich das ganz prima. Ich gehöre also zu der ständig wachsenden Konsumentengruppe, die Biofleisch kauft. Schmeckt ja auch besser. Dass ich mich für den Lebenslauf des Rindviechs interessiere, aus dessen Hochrippe ich gerne Gulasch machen möchte, kann ich allerdings nicht sagen. Damit gehöre ich wiederum zu einer Minderheit. Zumindest im Biomarkt. Wo man entweder die Langsamkeit entdeckt - oder wahnsinnig wird.

Denn Biomarkt-Kunden haben vor allem eines: Zeit. Biomarkt-Verkäufer übrigens auch. Da erörtern Fleischfachverkäuferin und Kunde nicht nur die Biografie jeder Kuh, deren Einzelteile ausgestellt sind, auch jedes Stück Wurst wird in Zeitlupentempo hervorgeholt, in Scheiben geschnitten und so sacht und behutsam wieder zurückgelegt, als ob jedes rasche Zupacken eine posthume Beleidigung des Schweins wäre.

Viele Kunden sind von ihrem Akt des Gutmenschentums, nämlich dem Kauf nachhaltigen Joghurts und Brots aus fast ausgestorbenen Getreidesorten, offenbar derart erfüllt, dass sie sich ebenso langsam wie leise bewegen. Das beobachtet man sonst nur noch in Kirchen.

Ein großes Hobby der Biomarkt-Gänger scheint auch das Im-Weg-Stehen zu sein. Wer es schafft, sich dennoch rasch einen Weg zur Kasse zu bahnen, wird spätestens dort gestoppt. Zwei Kunden vor einem bedeuten mindestens zehn Minuten Wartezeit. Denn es gilt die Regel: erst ganz in Ruhe alles einpacken, dann ganz in Ruhe bezahlen. Ich hab dann ganz in Ruhe gekocht. Erst vor Wut. Dann das Gulasch. War sehr lecker übrigens.