Bezirksamt Nord möchte Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel in Wohnraum umwandeln. Es soll Platz für 1000 neue Anwohner entstehen.

Fuhlsbüttel. Wohnen auf dem Gefängnisgelände - in Hamburg könnte das bald Wirklichkeit werden: Das Bezirksamt Nord möchte die Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel in Wohnraum umwandeln. Die innerstädtische Lage des Gebiets und seine gute Anbindung, so die Begründung, wären ideal für Wohnungsbau. Am Donnerstagabend beschlossen die Fraktionen der SPD und FDP im Stadtentwicklungsausschuss den Antrag "Wohnraum statt Strafvollzug": Demnach soll Bezirksamtsleiter Wolfgang Kopitzsch (SPD) beim Senat für die Schließung der JVA Fuhlsbüttel eintreten und an diesem Standort Wohnungsbau ermöglichen.

Für etwa 1000 neue Anwohner solle Platz geschaffen werden, so das Ziel der beiden Fraktionen. Die JVA liegt inmitten von Wohngebieten, direkt nebenan entsteht das Neubaugebiet Weißenberg. "Es gibt nur wenige so große Flächen in Hamburg, die bebaut werden können und so gut an U- und S-Bahn angebunden sind", sagt der Fraktionsvorsitzende der FDP, Claus-Joachim Dickow. Die Gebäude der JVA, großteils Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut, seien zu alt, die Zellen zu klein für einen modernen Strafvollzug. "Da müsste man entweder sehr viel investieren oder alles neu bauen. Aber wenn schon neu machen, dann besser woanders."

Das Problem: Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) entwickelt gerade ein Konzept für den künftigen Strafvollzug, das im Herbst vorgestellt werden soll. Fast ein Viertel der 2288 Haftplätze steht in Hamburg leer - es geht also vorrangig darum, Kapazitäten abzubauen. Dass der Senat dabei ausgerechnet die Traditionsanstalt Fuhlsbüttel räumt, ist jedoch praktisch ausgeschlossen. "Eine Komplettaufgabe ist komplett vom Tisch", sagt ein Rathaus-Insider. Zwei wesentliche Gründe sprechen gegen den Auszug der Gefangenen aus "Santa Fu": Der berühmte Sternbau und zahlreiche weitere Gebäude sind als denkmalschutzwürdig erkannt. Bauliche Veränderungen oder gar ein Abriss sind damit nur schwer vorstellbar.

Zweitens: Mit erheblichen Investitionen sind auf dem Anstaltsgelände Werkstätten entstanden, die den Gefangenen eine Berufsausbildung ermöglichen sollen. Die Einrichtungen gelten als vorbildlich. Außerdem wurde ein Gebäude für die Unterbringung von Sicherungsverwahrten hergerichtet.

Nach Informationen des Abendblatts laufen derzeit jedoch intensive Gespräche zwischen Senat und Bezirk mit dem Ziel, ob eventuell eine Teilfläche der Anstalt für den Wohnungsbau genutzt werden kann. Voraussetzung wäre, dass ein Teil des JVA-Geländes aufgegeben werden kann.

CDU, GAL und Linke stimmten gegen den Antrag der rot-gelben Koalition im Bezirk Nord - vor allem wegen der ungeklärten Neustrukturierung der Justizvollzugsanstalten. Im Jahr 2009 hatte die Bürgerschaft eine Schließung der JVA Glasmoor (Schleswig-Holstein) beschlossen. Der dort untergebrachte offene Vollzug sollte in die JVA Fuhlsbüttel einziehen und diese entsprechend ausgebaut werden, um auf die chronische Unterbelegung der Hamburger Gefängnisse zu reagieren.

Die Bezirksfraktionen von SPD und FDP plädieren nun dafür, den offenen Vollzug in Glasmoor zu belassen und stattdessen die Häftlinge der JVA Fuhlsbüttel in die JVA Billwerder umzusiedeln. "Dort werden seit Jahren Überkapazitäten gepflegt, die man nun füllen könnte", sagte der entwicklungspolitische Sprecher der SPD, Thomas Domres. Die Gegner des Antrags bezweifeln das. Normalerweise sei die JVA Fuhlsbüttel fast voll belegt, bis zu 375 Gefangene sind dort inhaftiert. In Billwerder sind etwa 600 der 800 verfügbaren Plätze belegt. Bedenken gibt es auch hinsichtlich der Resozialisierung: Während in Fuhlsbüttel Schwerverbrecher mit langen Haftstrafen einsitzen, nimmt Billwerder Häftlinge mit leichteren Vergehen auf. Ein Nebeneinander im Vollzug wäre problematisch.

Wohnungsbau auf dem Gelände von "Santa Fu" ist im Bezirk ein Dauerbrenner: Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatten FDP, SPD, die Linke und zwei ehemalige GAL-Abgeordnete einen entsprechenden Antrag eingereicht. Im letzten Moment zog die Linke zurück, die nun einen Umzug des offenen Vollzugs nach Fuhlsbüttel unterstützt. Zwar wolle man mehr Wohnraum schaffen, so der Linken-Fraktionschef Nord, Peter Heim. "Aber gerade die gute Anbindung macht Fuhlsbüttel für den offenen Vollzug so attraktiv."

Die Oppositionsparteien sehen nun den SPD-FDP-Antrag daher als unnötigen Schnellschuss - wegen der vielen ungeklärten Punkte und auch, weil die Entscheidung über die Zukunft der Gefängnisse ohnehin beim Senat liegt. "Wir sind keineswegs gegen die Idee, hier Wohnungen zu bauen", sagt die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der CDU, Elisabeth Voet van Vormizeele. "Aber das ist nicht Sache des Bezirksamts. Erst einmal müsste die SPD auf bürgerschaftlichem Weg die JVAs neu strukturieren und klären, was mit dem offenen Vollzug geschieht."