Eine Gruppe von Freunden hat sich zusammengetan, um gemeinsam ein Haus zu bauen - und erhöht so auch die Kinderquote in der HafenCity.

Hamburg. Manchmal kann ein Gedanke etwas Großes bewirken. Beispielsweise, wenn zwei befreundete Ehepaare eine Baugemeinschaft gründen und sich dann unverhofft viele Menschen aus dem Freundes-, Familien- und Bekanntenkreis finden, die sich dieser Gemeinschaft anschließen. So ist es Ende 2008 gewesen, als Sandra und Jörg Munzinger gemeinsam mit Ahmet und Maryam Alkuru beschlossen, die Baugemeinschaft Nidus zu gründen. Das Wort bedeutet Nest und kommt aus dem Lateinischen.

Möglicherweise führt diese Übersetzung aber in die Irre. Denn Nidus Loft hat sich zu einem Projekt mit einem Investitionsvolumen von elf Millionen Euro und 34 Einheiten entwickelt. Sieben davon sind loftartige Ladenwohnungen im Erdgeschoss. Erstellt wird das Haus mitten in der HafenCity, an der Shanghaiallee, direkt gegenüber dem Museum Prototyp. 63 Menschen werden in das Wohn- und Geschäftshaus ziehen. "Es sind zu 80 Prozent Freunde, Bekannte und Familienmitglieder, die den Kern der Baugemeinschaft bilden", sagt Sandra Munzinger, bei Nidus für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. "Nur 18 Mitglieder sind von außen neu dazu gestoßen, zählen aber mittlerweile zu den Freunden."

Zu ihnen gehört Doris Papenbroock. "Ich liebe die HafenCity, habe lange in New York gelebt", sagt die Markt- und Medienexpertin. Zurzeit wohnt sie noch in einer Altbauwohnung auf der Uhlenhorst. Bald wird sie jedoch Tür an Tür mit ihrer Freundin in einer 75 Quadratmeter großen Loftwohnung leben. "Wir rudern zusammen. Als ich ihr von meinem Vorhaben erzählte, wollte sie auch sofort in die HafenCity ziehen." Sie wohne derzeit in Ottensen - ebenfalls in einer Altbauwohnung.

Doch es ist auch die hohe Kinderquote von 30 Prozent, die Nidus von anderen Projekten in der HafenCity positiv abhebt. Am Tag des Richtfests - Anfang September - zeigte sich Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte, Markus Schreiber, beeindruckt. "Die HafenCity kommt derzeit nur auf eine Kinderquote von neun Prozent und Hamburg insgesamt auf etwa 15 Prozent." Die Baugemeinschaft sei damit eine Bereicherung für die HafenCity, die den Stadtteil lebendig mache. "Dabei hat unsere Mitgliederzahl eine steigende Tendenz", wie Sandra Munzinger, selbst zweifache Mutter, ergänzend hervorhebt.

Gemeint ist die hohe Schwangerschaftsquote unter den Mitgliedern. Familie Gerlach beispielsweise erwartet im Januar ihre zweite Tochter. Wenn alles nach Plan läuft, wird die Hamburger Familie zwei Monate später, im März, ihre 125 Quadratmeter große Loftwohnung beziehen können. Stephan Gerlach konnte sich anfangs gar nicht vorstellen, in der HafenCity zu wohnen. "Bis ich von Nidus auf einer Party erfuhr. Bis dahin hatten wir immer in Altona nach einer Wohnung Ausschau gehalten, doch alles, was uns dort angeboten wurde, war gut 30 Prozent teurer als das, was wir über die Baugemeinschaft kaufen konnten", sagt der 39-Jährige.

Tatsächlich gelang es Nidus, die Einheiten zu einem für die HafenCity geradezu sensationell niedrigen Quadratmeterpreis von 3000 Euro zu erstellen. "Das sind mehr als 2000 Euro unter dem derzeit auf dem freien Wohnungsmarkt gehandelten Preis von 5340 Euro im Quartier ", sagte Schreiber. Möglich ist dies nur, weil alle wesentlichen Planungen in den Händen der drei Geschäftsführer Jörg Munzinger, Ahmet Alkuru und Ulrike Hellenkamp liegen. "Schon bei der Mitgliederzusammenstellung haben wir darauf geachtet, dass einige von uns wichtige Aufgaben übernehmen konnten", sagt Planer und Initiator Jörg Munzinger. Ralf Michels zum Beispiel ist von Beruf Hausverwalter und hat im Projekt nun den Job des Prokuristen übernommen.

Das Projekt steht offenbar unter einem guten Stern: Denn nicht nur blieb am Tag des Richtfests der angekündigte Regen aus und die Sonne strahlte. Jürgen Bruns-Berentelg, Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH, hob auch hervor, dass Nidus der schnellste Entwickler in der HafenCity ist. "Und dass, obwohl bei diesem Projekt auf Nachhaltigkeit und Wohngesundheit geachtet wurde." So erfüllt das Gebäude nicht nur höchste Vorgaben zur Dämmung und Energieeffizienz, bei den Baustoffen wurde auch darauf geachtet, dass sie schadstoffarm und allergikergerecht sind.

Damit ist Nidus nicht nur die erste eigeninitierte und selbst organisierte Baugemeinschaft von derzeit sechs in der HafenCity. Sie hat es auch geschafft - unter Beachtung der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz - das erste Wohnhaus im Quartier mit dem Umweltzeichen Gold zu errichten.

Vorbildlich ist Nidus Loft aber noch in einer anderen Hinsicht: 14 Bewohner stammen aus der Türkei, Vietnam, dem Iran, aus Chile und Irland. Mit Sicherheit liegt das auch an Mitinitiator Ahmet Alkuru. Mit seiner Frau und den zwei Kindern bezieht er eine 125 Quadratmeter große Loftwohnung im oberen Teil des Gebäudes. Im Flügel nebenan wird seine Schwiegermutter, Monika Tabrizizadeh, eine Wohnung beziehen. Sie hat lange Zeit im Iran gelebt. Auch Sandra Munzingers Schwiegermutter, Barbara, hat ihr Haus in Oberfranken verkauft und wird bald in der HafenCity - nahe der Elbphilharmonie leben. Zurzeit wohnt sie noch in einem Provisorium in Winterhude. Die 63-Jährige hat sich vorgenommen: "Nur wenn Oma gerufen wird, werde ich mich in den Alltag der jungen Familie einbringen."

Dass ihr neues Domizil so gar nicht den Anschein erweckt, ein "Nest" zu sein, stört Jörg und Sandra Munzinger nicht. "Im Gegenteil. Das ist so gewollt", sagt Jörg Munzinger. "Der Entwurf des Hamburger Büros spine architects nimmt bewusst Motive der New Yorker Loftarchitektur auf. Wir wollen hier unseren Wunsch nach Wohnen und Arbeiten unter einem Dach realisieren." Daniel Luchterhandt beispielsweise wird in einer der Ladenwohnungen sein Büro für Stadtplanung eröffnen, während er mit der Familie etwas höher wohnt.