Sie ist nicht zu sehen. Und doch ganz nah dran an den Zuschauern. Wenn Dörte Kiehn auf die Bühne - oder besser hinter die Bühne - kommt, spricht sie Menschen unmittelbar an, ohne selbst in Erscheinung zu treten. Sie ist dann Rabe Richard, Mäusekind Nießchen oder Prinzessin Isabella. Reduziert auf ein paar kleine Handpuppen, denen sie für ein paar Stunden Leben einhaucht. Und mit deren Hilfe sie jedes Thema transportieren kann: Freundschaft, Missbrauch, Hoffnung.

Und Empörung. Diese empfindet die 52 Jahre alte Puppenspielerin aus Zarrentin derzeit ganz besonders. Dem Hamburger Puppentheater, bei dem sie regelmäßig mit ihrer Bühne Tandera zu Gast ist, droht das Aus, weil der Bezirk die Räume gekündigt hat. Und so fordert sie nach jeder Vorstellung das Publikum auf, für das Theater zu kämpfen. Weil sie weiß, "dass Kinder Theater brauchen, um zu kreativen, mitfühlenden Erwachsenen zu werden".

Seit 25 Jahren steht die Sonderpädagogin hinter der Bühne, weil sie nur hier das Gefühl hat, "wirklich frei zu sein". Neue Ideen sammelt die dreifache Mutter auf ihrem Resthof bei Zarrentin sowie beim Lesen. Gerade hat sie Peter Härtlings "Paul, das Hauskind" durch. Darin geht es um einen Jungen, der sich von seinen Eltern im Stich gelassen fühlt. Dörte Kiehn weiß, dass solche Kinder auch in ihrem Publikum sitzen. Und dass sie etwas für diese tun kann. Sie muss nur spielen.