Behörde will Flüchtlinge und Aussiedler auch in alter Hammer Schule einquartieren. Scharfe Kritik aus der CDU: “Stadtteil schon belastet genug.“

Hamm. Mittags ist es besonders ruhig hier, am Hübbesweg in Hamm. Vor der alten Schule, einem schönen Rotklinkerbau von 1887, verläuft eine Straße mit altem Kopfsteinpflaster. Der Parkplatz eines Discounters gegenüber ist fast leer. Mütter schieben Kinderwagen über den Weg, vorbei an gepflegten Vorgärten und vielen mit Geranien geschmückten Balkonen der Häuser.

Das Quartier nahe der Bundesstraße 5 ist das, was man eine ruhige Wohngegend nennt. Die CDU sieht diese Idylle bedroht, denn in der alten Schule soll eine Unterkunft für Zuwanderer - beispielsweise politische Flüchtlinge, Spätaussiedler und andere - eingerichtet werden, auch weil die Schule "in einem Gewerbegebiet liegt", wie es in einem Papier der Behörde steht. 45 Zuwanderer sollen dort in kleinen Wohnungen leben. Dazu wolle ein - bisher ungenannter - Investor das erste Obergeschoss der Schule umbauen.

"Wir sind gegen die Unterbringung von Flüchtlingen am Hübbesweg, weil nachteilige Auswirkungen auf die Stadtteilstruktur durch Konzentration von Problemlagen zu befürchten sind", sagt Christoph de Vries, der als CDU-Bürgerschaftsabgeordneter sein Büro in der Nähe hat.

Die Sozialbehörde betont, dass noch nichts entschieden sei. "Das liegt jetzt in Bezirkshand", sagt Behördensprecherin Nicole Serocka. Zu dem konkreten Fall möchte sie nichts sagen.

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Der CDU-Bezirksabgeordnete und Hammer Holger Schmidt sagt: "Jeder kann sehen, dass wir hier kein Gewerbegebiet haben, sondern in einem Wohngebiet sind." In dem alten Schulgebäude seien nur ein paar kleine Gewerbebetriebe. Schmidt vermutet, dass die Wahl des Standorts vom grünen Tisch aus getroffen wurde. "Wer immer das ausgesucht hat, war nie hier vor Ort", sagt er. Die Sozialbehörde habe die Flächen in Hamburg identifiziert, und "nun sollen die Bezirke entscheiden, ob ihnen die Flächen zusagen", erklärt Christoph de Vries.

"Die Arbeitsgruppe 'Gesamtkonzept öffentliche Unterbringung'" habe den Standort "im Rahmen des Sozialmonitorings nicht geprüft und bewertet", heißt es in dem Papier, das dem Abendblatt vorliegt.

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Hintergrund ist die stark gestiegene Zahl der Zuwanderer, auf die die Sozialbehörde nicht vorbereitet war. Waren es 2008 noch 375 Zuwanderer, so stieg die Zahl im vergangenen Jahr auf 911 Menschen - allerdings rechnet die Behörde für 2011 mit einem leichten Rückgang. An 20 Stellen (siehe Karte) sollen nun in Hamburg die Unterkünfte mit vorerst rund 500 Plätzen für Zuwanderer und weiteren Plätzen für Obdachlose geschaffen werden. In den Bezirken werden die Vorschläge nun bewertet. Wenn die Bezirkspolitiker Standorte ablehnen, müssen sie Alternativen vorschlagen. Am Hübbesweg weiß bis heute keiner der Nachbarn, die mittags auf der Straße sind, von den Plänen. "Wir wollen nicht, dass die Situation hier kippt", sagt Holger Schmidt. Und Christoph de Vries ergänzt: "Die Situation in Hamm-Mitte ist mit einer überdurchschnittlichen Anzahl von Transferleistungsempfängern und zunehmenden Leerständen von Geschäften ohnehin schon jetzt belastet." Ein Antrag der CDU im Bezirk Mitte, am Hübbesweg keine Unterkunft einzurichten, lehnte die Mehrheit der Bezirksversammlung mit den Stimmen von SPD, GAL, Linke und FDP ab. Es müsse, so de Vries, im Interesse der Stadt liegen, Unterkünfte für Wohnungslose und Zuwanderer nicht vermehrt in Stadtteilen anzusiedeln, die es ohnehin schwer hätten. Die CDU würde sich nicht generell gegen Unterkünfte wenden, fordere aber die Auswahl eines geeigneteren Standorts.

Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD): "Der Bezirk Mitte ist gut weggekommen, denn wir haben weniger Unterbringungsplätze einzurichten als andere Bezirke. Daher ist es falsch, sich zu beschweren. Die Zuwanderer werden dort gut integriert."

Morgen lädt Christoph de Vries zu einem Gespräch über die Situation am Hübbesweg in sein Büro am Hammer Steindamm 119 ein. Beginn: 17.30 Uhr.