Im Hamburger Wohnprojekt Max-B haben sich 200 Menschen ihren Traum vom Wohnen erfüllt, bei dem sich Jung und Alt gegenseitig unterstützen.

Hamburg. Wenn Stoffpuppe Ernie aus der Sesamstraße vor der Tür liegt, dürfen Mira und Juri in die Nachbarwohnung kommen. Ohne zu klopfen, ohne sich zu verabreden. Dann wird aus Nachbarin Frau Grabbet Familienmitglied Regina. Mitten in der Zweizimmerwohnung wird dann ein Zelt aufgebaut, und die drei machen Urlaub in Altona-Nord.

Sie haben sich ihre Oase selbst erschaffen. "Eine urbane Insel", wie Ingrid Lempp das Wohnprojekt Max-B an der Max-Brauer-Allee 231 bis 247 nennt. Mira, Juri und Frau Grabbet, die echten Eltern, Michael und Karen, Mirjam Rademacher aus dem Erdgeschoss und ihre vier Kinder Marie, Emma, Jakob und Max, Oma Sabine Volkhard, Sohn Jan und die Enkeltöchter Helena und Emily, Leihoma Ingrid und Tante Rebecca mit Paul und Helena sowie knapp 200 weitere Mitbewohner sind auf dieser Insel am Rande der Schanze zu Hause. Rund 70 Kinder leben hier, auf jeder Etage mindestens eine Familie. Menschen, die das Urbane der Großstadt mit dem Familiären des Dorflebens verbinden wollten.

Alles fing 1980 an - Journalist Ulrich Schmidt schrieb einen Leserbrief an das Abendblatt. Er regte an, eine Wohngemeinschaft zwischen jungen und alten Menschen zu gründen. Das Echo war gewaltig - der Verein Wohngemeinschaft Jung und Alt (WGJA) entstand. 1985 kam Architektin Iris Neitmann zum Verein. In Rahlstedt wurden zwei Bauernhäuser restauriert, später entstand in Ottensen das erste Neubauwohnprojekt im sozialen Wohnungsbau. Es folgten die drei "Blauen Häuser" von Flottbek, das Wohnquartier "Zeisewiesen", das Wohnprojekt "Lutterothstraße" in Eimsbüttel und "Max-B": 47 Eigentumswohnungen, 51 Mietwohnungen, vier Praxen, zwei Büros, ein Café, drei Spielplätze, neun Gemeinschaftsräume und Fahrradräume, eine Tiefgarage.

Die Bewohner haben 2004 das Grundstück an der Kreuzung zur Stresemannstraße erworben. Sie haben die Baupläne abgestimmt, Freunde angeworben und Familienmitglieder begeistert. "Menschen kamen und gingen wieder. Manche sind geblieben", sagt Ingrid Lempp. Dann, wenn es gepasst hat. So wie bei Ingrid Lempp und Susanne Chall. Beide haben ihren Partner verloren. Beide wollten auch im Alter ihr Leben mit jungen Familien teilen.

Es sind unterschiedliche Lebenswege, die sich hier im Februar 2001 das erste Mal gekreuzt haben: Ingrid Lempp, Jan Volkhard und die Töchter Emily, 11, und Helene, 8, die mit Großmutter Sabine auf einer Ebene wohnen wollten, oder die Logopädin und vierfache Mutter Mirjam Rademacher, die mit ihrem Mann Ulf Schönert einen Ort schaffen wollte, an dem sich Arbeit und Wohnen unter einem Dach realisieren lassen. "Nur unter diesen Umständen haben wir uns für das vierte Kind entschieden." Aus der Idee wurden Pläne, aus Plänen wurde ein Zuhause, in das 2006 die ersten Bewohner einzogen.

"Das Projekt ist nach den Bedürfnissen der Menschen, die hier mitmachen wollten, gewachsen", sagt Ingrid Lempp, die "gute Seele des Hauses". Die 74-Jährige hat gemeinsam mit den anderen das Forum "Max-B" ins Leben gerufen. Einmal im Monat kommen Vertreter aus allen neun Häusern zusammen und machen Pläne. Für das Sommerfest, das Adventsbasteln und die Weihnachtsfeier. Hat ein Mitbewohner Geburtstag, gibt es einen Kuchen. Gefeiert wird im Gemeinschaftsraum oder im Garten. Regelmäßig wird zusammen gekocht, getöpfert, ferngesehen und zum Jahreswechsel mit Punsch angestoßen. An der roten Fassade zur Max-Brauer-Allee haben die Bewohner eine wandelnde Galerie eingerichtet. Draußen lärmen die Autos, im Innenhof schwirren die Bienen, Sonnenblumen recken sich in den Himmel, Obst hängt an den Bäumen. Das eigentliche "Dorfleben" findet nach hinten raus statt. Jede Wohnung hat Balkon, Terrasse oder ein Stück Garten. 100 Oasen, die sich zu einer blühenden Insel vereinen. Es gibt Sandkisten, Gartenstühle und Spielzeug. Wenn Max Rademacher, 4, draußen spielen möchte, muss er nur aus der Wohnzimmertür treten. Dann trifft er Jona, 1, in der Sandkiste oder Nachbarssohn Linus, 7, beim Versteckenspielen mit Tom, 8, Nil, 10, und Emram, 10.

In Haus 1 toben auf 120 Quadratmetern Bela, 4, Stella, 7, Luna, 11, und Kolja, 13. Auf einer Schaukel turnt Raja. Sie ist mit Luna befreundet. Kolja kocht, Mutter Eva Pawlas entspannt im Chaos. "Wir kennen uns alle und helfen uns." Und sie begeistern sich für die gleichen Dinge. Für Evas Idee der "Food-Coop" zum Beispiel. Im Vorratsraum stehen sieben Kühlschränke, Regale und Kisten, die einmal in der Woche aufgefüllt werden. Dann kommt der Transporter vom Kattendorfer Hof und liefert Milch, Quark, Joghurt, Käse, Fleisch, Wurst und Biogemüse. Jede Familie, die mitmacht, nimmt sich, was sie braucht. Dafür zahlt sie pro Monat einen bestimmten Betrag. "Das funktioniert. Niemand nimmt mehr, als ihm zusteht", sagt Eva.

Helene und Emily wohnen im dritten Stock, Haus 6. Vater Jan Volkhard ist Erzieher. Wenn die Kinder aus der Schule kommen, klingeln sie bei Oma Sabine Volkhard, 63, nebenan. Demnächst muss Sabine Volkhard in die Klinik. Sie kann sich darauf verlassen, dass die Menschen im Haus für sie da sein werden. Hündin Dila wird versorgt sein, Blumen werden gegossen, der Briefkasten geleert. Und wenn sie zurückkommt, will Ingrid Lempp einen Kuchen backen. Den gab es auch für Regina Grabbet. Die 58-Jährige wohnt erst seit Oktober in Haus 8. "Ich wollte unbedingt mit Kindern leben." Davon hat sie jetzt gleich drei direkt Tür an Tür, denn am 30. August hat Karen eine weitere Tochter entbunden. Und die Mutter ist dankbar für die Hilfe ihrer Nachbarin. Die Kinder dürfen jederzeit bei ihr anklopfen. Nur wenn die "Tagesschau" läuft, legt Frau Grabbet Ernies Pendant, Stoffpuppe Bert, vor die Tür. Dann wissen die Kinder, dass Regina für einen Moment allein sein möchte.